29. Januar 2010: Zum Tonic gehört Gin … Sportfreunde Stiller

Neue CD-Single von den Sportfreunden Stiller: Lass mich nie mehr los. Genau genommen, die dritte Auskopplung aus dem MTV unplugged in New York-Album. Nur das auf dr aktuellen CD auch noch eine sauber produzierte Studioversion mitgeliefert wird. Und die klingt dann schon fast romantisch, während das Original noch wesentlich mehr von dieser beinahe kuschelig-süßen Jungenhaftigkeit rüberbringt, welche bei den Sportfreunden ja irgendwie immer mitschwingt. Ist halt ne Jungsband – also eine Große Jungs-Band. Die wollen gar nicht erwachsen und schlau sein. Und einigen Mädchen gefällt das ja auch richtig gut.

Jetzt also haben die Sportfreunde nochmal zugelangt und eine Art Liebeslied vorgelegt. Bisschen romantisch, bisschen tolpatschig auch, absolut in der Tradition stehend von den ganz großen Bekenntnissen in Liedform: „Du bist der Himmel, ich die Wolke …“ etc. Kennen wir ja. Ist immer wieder schön. Und wie wir merken gibt es noch viel, was da auf dieser Welt zusammengehört. Zumal in einer Welt, die sich wahnsinnig schnell ändert. Das heißt, es darf gern weitergedichtet werden.

Und die Sportfreunde Stiller, die hatten zwar mit ihrer Fußballhymne ’54 74 90 2006 nach wie vor ihren größten kommerziellen Erfolg, Platz 16 nimmt sich da für Lass mich nie mehr los fast schon ein bisschen mager aus … aber immerhin, es ist der zweite Top 20 Erfolg aus dem Unplugged-Album und sogar auf Anhieb besser platziert als die Vorgängersingle Ich war noch niemals in New York … aber zurück zum eigentlichen Text: die Sportfreunde Stiller machen sich dennoch erst mit dieser neuen Single wirklich unverzichtbar in der deutschsprachigen Pop-Geschichte. Ein Kompliment, Ich war noch niemals in New York und jetzt Lass mich nie mehr los … für dieses Dreigespann allein gehören sie geadelt. Denn so cool mauss man erstmal sein, dass man das alles ohne jeglichen Imageschaden verkaufen kann.

29. Januar 2010: Atzenalarm

Jetzt ist es also wahr geworden. Der Atzensound hat die deutschen CD-Käufer_innen voll im Griff. Party, Party, Party – das ist das Gebot der Stunde. (Kann natürlich auch was mit der bevorstehenden Karnevalssaison zu tun haben, aber so weit würd ich mich jetzt nicht aus dem Fenster lehnen.) Und was heißt das genau? Ke$ha, unser neuestes Feier girl holt sich doch tatsächlich Platz 1 der media control-Charts, ist also der Titel mit dem höchsten Umsatz in der Woche 15.-21. Januar. Keri Hilson, die im Grunde mit I Like ja nichts anderes beschreibt als eine großartige Nacht, lässt sich mal wieder auf Rang 2 verdrängen.

Aber wieso ist das jetzt so sensationell? Zwei Damen aus Amerika machen Party, ok. Der Unterschied zwischen Keri Hilson und Ke$ha ist, dass die zweite überhaupt nicht wieder aufhören will. Bei Keri Hilson ist das Ganze ja ziemlich einmalig und besonders und kommt garantiert nicht jede Nacht vor. Ke$ha dagegen pfeift völlig auf Pause und Besonderheit. Da geht’s nur noch ums Abfeiern und Genießen pur. Immer auf der Überholspur. Und das sogar so konsequent, dass ihr am Ende selbst das Styling (scheinbar) völlig egal ist. Hey, so schlampig und verloddert ist ja wohl schon lang kein Pop-Sternchen mehr aufgetreten. Dagegen sieht selbst Rolemodell Britney ziemlich alt aus. Und ich wage mal zu behaupten, dass TiK ToK, produziert haargenau so wie es jetzt klingt, einfach interpretiert von Britney niemals bis an die Spitze geklettert wäre. Das Girl ist einfach durch, auch wenn sie immer noch ein und noch ein Comeback irgendwie hinlegt.

Tja, und das also die Superdauerparty momentan ein allgemein westliches Phänomen ist, den Beweis haben wir allein schon damit, dass aus Deutschland haargenau die selbe Geschichte zu hören ist, nur eben männlich besetzt und vielleicht nicht ganz so elektroid. Frauenarzt & Manny Marc haben für dieses Genre dann den schönen Namen Atzenmusik geprägt. Passt total! Versteh ich ohne lang zu überlegen! Und wers nicht gleich kapiert, dem schenkt der Text dann sicher noch die komplette Einsicht. Auch hier: Abfeiern bis zum Umkippen, Style sowieso egal. – Das muss man in der Konsequenz auch erstmal so hinkriegen.

Lustig ist bei beiden Titeln, dass mit der ungebremsten Party gegen ein vermeintliches Spießertum angetreten wird. Das find ich auf ne Art ja schon wieder ganz putzig. Lassen sich Vorortfamilien tatsächlich durch wochenlange Exzesse erschrecken?

Die Frage beantwortet eventuell jemand anderes. Ke$ha feiert also ihre erste Nummer 1, Die Atzen gehen mit Disco Pogo von der 6 auf die 5 – tja, da scheint das supergestylte und exklusive Modell Lady Gaga jetzt doch Federn lassen zu müssen. Kann sich mit Bad Romance noch auf der 3 halten, aber ob sie das in den nächsten Monaten noch genauso hinkriegt? – Vermutlich ist das genau der Gegensatz: auf der einen Seite Atzenparty ohne wennund aber – auf der anderen Orgie und Wahnsinn, aber immer schön mit dem Hinweis, dass das ja nur die Ausnahme ist, spießig halt.

22. Januar 2010: Atzenmusik und andere Parties an der Spitze

OK – let’s rock it again. Ein paar Tage, fast schon Wochen, war Ruhe hier. Neues Jahrzehnt, neues Umfeld ... brauchte ich ein bisschen Zeit um mich dran zu gewöhnen. In der Zwischenzeit hat sich im kommerziellen Musikgeschäft einiges getan. Mehrere Wechsel an der Spitze, Lady Gaga mit ihrer dritten Nr.1 … und in der aktuellen Auflistung heißt es wieder einmal Keri Hilson liefert mit I Like den umsatzstärksten Titel. Ein drittes mal steht sie auf der Spitzenposition der media control-Charts. Hängt vermutlich auch damit zusammen, dass seit dem 8. Januar Keri Hilsons Album In A Perfect World … als Special-I Like-Edition auf dem deutschsprachigen Markt zu haben ist. Das Album schafft es zwar insgesamt nur auf Platz 28, das ist jetzt nicht so extraordinär berauschend, aber es reicht offensichtlich, um der Single noch mal einen guten Auftrieb zu verleihen. Naja, und auch der Film Zweiohrküken läuft ja noch ganz gut. Dass sich I Like so gut behaupten kann, ist für mich nicht sonderlich verwunderlich. Nachdem ich mich mal so im Schnelldurchlauf durch das Album gezappt habe, muss ich sagen: es ist und bleibt der Höhepunkt des Albums. Kann man Keri Hilson nur wünschen, dass I Like über kurz oder lang doch auch international veröffentlicht wird.

Zur Statistik: die dritte Woche auf der Position 1, das dritte mal wieder hochgeklettert, das ist schon eine eher ungewöhnliche Performance. Der letzte Titel, der es nach einem ersten kurzen Aufenthalt an der Spitze noch zweimal zurück auf den Thron schaffte war im Jahr 2006 Love Generation von Bob Sinclar feat. Gary Nesta pres. Goleo IV, und da half ganz gehörig der Trubel um die Fußball-WM mit.

Über all die Lobeshymnen für Keri Hilson dürfen wir nicht vergessen, dass da gleich hinter ihr schon der beste Single-CD-Neustart der Woche landet. In den iTunes-Charts unangefochten in Führungsposition schafft es Ke$ha im Geschäft mit den physischen Tonträgern nicht ganz, die Spitze zu erreichen. In der ersten Woche geht es für ihre erste Solo-Single TiK ToK erstmal auf die 2. Was sicher nicht das Ende aller Möglichkeiten bedeutet. Elektro-rhythmisiert repräsentiert der Track ziemlich genau den aktuellen Stand im Pop-Business. In den USA bereits Nr.1 gewesen, Neuseeland und Kanada meldeten gleiches, in Großbritannien reichte es immerhin für Platz 4 … Hinter Ke$ha stehen dann auch solche Produzentennamen wie Dr. Luke und Max martin. Wundern wir uns da noch über den fulminanten Einstand auch in Deutschland?

Die Geschichte von Ke$ha ist relativ schnell erzählt: Backgroundsängerin, Songwriterin und dann im vergangenen Jahr der Einstand an der Seite von Mr. Flo Rida, dessen Right Round hierzulande bis Platz 4 klettern konnte und auch aktuell noch in der Liste herumgeistert. Mit TiK ToK fegt sie dann schon mal alles weg, was bisher war. Könnte gut sein, dass Ke$ha in nächster Zeit noch einiges im Mainstream an Erfolgen landen kann. Vor allem, wenn sie sich weiter als partyfeiernde White Trash-Ikone vermarkten lässt. Da hat dann die Britney wohl endgültig abgegessen …

Machen wir die Spitze komplett: Mit Lady Gaga und Bad Romance auf der 3 (runter von der Spitzenposition) haben wir in dieser Woche die Top 3 fest im Griff amerikanischer Interpretinnen. Ob das ein Zeichen für das kommende Jahr ist? Bisher war es lediglich die Dänin Aura Dione, die sich als Nichtamerikanerin an der Spitze der deutschen Charts behaupten konnte. In dieser Woche muss sie etwas nachgeben und steht mit I Will Love You Monday (365) auf der 4.

Der nächste auffällige Gewinner der Woche steht auf der Position 6. Frauenarzt & Manny Marc aka Die Atzen klettern nach ihrem großen Start zu Jahresbeginn nochmal sechs Plätze und landen damit ihren zweiten Top 10-Hit in Folge. Zum Disco Pogo muss man gar nix weiter sagen, höchstens dass es erstaunlich ist, dass sich sogar die taz und der Spiegel dem Atzen-Phänomen widmen. Da wird dann viel gelabert über Hedonismus usw. … aber was solls eigentlich? Glaubwürdiger als das christlich verbrämte Weltuntergangsgejammere oder das Harter-Junge-Ghetto-Geprotze ist es doch allemal. Oder etwa nicht?

Nochmal deutsches Liedgut. Auch das ganz neu und irgendwie geht es da ja auch um’s Feiern. Oder vielleicht etwas gediegener, um Feste. Genau gesagt um die Eröffnung des Spektakeljahres anlässlich der Europäischen Kulturhauptstadt RUHR.2010. Da wird es also in den kommenden Monaten eine Reihe von Veranstaltungen und Anlässe geben, über die wir medial stolpern werden. Und immer mit dabei die Hymne zum Jahr. Und die kommt von Herbert Grönemeyer, klar. Ist ja einer, der sich schon immer zu seiner Heimat bekannte. Komm zur Ruhr ist also der Titel, und noch vor der regulären Veröffentlichung als CD kann man den Titel per Download erwerben. Was dann offensichtlich auch eine ganze Menge Leute getan haben, denn Komm zur Ruhr chartet in dieser Woche auf Platz 7

Wie es sich für eine richtige Hymne gehört, wird in Komm zur Ruhr ein ordentliches Loblied auf die Region und die Menschen gesungen. Das Ganze ist dann natürlich auch fulminant instrumentiert, heroisch, fast schon ein wenig pathetisch. Naja. Von diesen Europäischen Kulturhauptstädten kann man nun halten was man will, ich hab noch nicht wirklich überzeugende Erlebnisse zu diesen Anlässen gehabt, aber bei RUHR.2010 geht es offensichtlich auch ein bisschen um das, was so in der Gegenwart passiert. Nun ist Herbert Grönemeyer mit etwas mehr als 25 Jahren Chartkarriere sicher kein Vertreter der ganz jungen Pophitkultur, um so erstaunlicher ist es, dass er seine größten Erfolge in den vergangenen 10 Jahren feiern konnte. Drei Nr.1-Hits gehen auf sein Konto, Komm zur Ruhr ist mittlerweile sein 32 Charthit und sein achter, der sich innerhalb der Top 10 platzieren kann. Zuletzt war er vor etwa einem Jahr präsent, als Glück sich bis Platz 4 vorarbeiten konnte.