Absturz für Tokio Hotel ... und ein paar Aufsteiger

In der Regel handel ich hier ja vor allem Erfolgsstories und Aufsteiger ab. In dieser Woche komm ich allerdings nicht umhin, einen Loser zu benennen. Mit einem wahrhaften Absturz warten nämlich die Jungs von Tokio Hotel. In der vergangenen Woche stieg ihr Comeback-Titel Automatisch auf Platz 5 ein – für die erfolgverwöhnten Jungs aus Magdeburg schonmal ein ziemlicher Schlag ins Gesicht. In der zweiten Woche nun geht es im Steilkurs nach unten auf Platz 29. Solche Abstürze können wir für gewöhnlich nur am Anfang eines jeden Jahres beobachten, wenn die Weihnachtssongs schlagartig die Listen verlassen.

In Blogs wie bei oljo.de wird nun fleißig analysiert, warum Tokio Hotel so dramatisch an Popularität eingebüßt hat. Überzogene Medienhysterie mit Nerv-Charakter, seltsame Auswertungssysteme … es gibt eine Reihe von Theorien für die ernüchternden Verkaufszahlen. Auch das neue Album fällt ziemlich durch, unter anderem wegen absolut überzogener Preise. Lediglich in den USA scheint es Aufwind für die Jungs zu geben. Der Verdacht liegt nahe, dass sich die Industrie eher auf den größeren Markt in Übersee konzentriert und der Verkauf in Deutschland eh unwichtig ist. Das letzte Hoffen der Fans klammerte sich an den TV-Auftritt bei „Wetten dass …?“ am 3. Oktober, aber auch da war offensichtlich nicht viel zu holen. – Spannendster Nebeneffekt des Schlechten Abschneidens: Musiklabel Universal lockert plötzlich die rigide Veröffentlichungspolitik im Netz. Zunächst war Automatisch weder auf youTube noch auf mySpace im Angebot. Nach dem desaströsen Abschneiden werden plötzlich sämtliche Kanäle frei geschaltet um noch zu retten was zu retten ist … wie war das noch mal: Präsenz im Internet schmäler die Verkäufe … ? – Da könnte sich eine Diskussion endgültig erledigt haben.

Wesentlichste Aufsteigerin der Woche (neben Neuzugang Mark Medlock ist Agnes. Die Schwedin ist mit ihrem internationalen Debüt-Titel Release Me gerade in allen Einkaufspassagen und Dudelfunkstationen superpräsent. Das hat zur Folge, dass auch der Verkauf angeheizt wird. In der sechsten Chartwoche steigt Release Me von der 18 auf die 12 und beschert Agnes eine neue Bestmarke.

Etwas weiter oben klettern The Black Eyed Peas mit I Gotta Feeling noch einmal einen Platz auf die 8 und stehen mit diesem Titel nunmehr eine 14. Woche unter den umsatzstärksten Zehn. Insgesamt gehen jetzt 65 Top10-Wochen auf das Konto der Black Eyed Peas. Just in dieser Woche überrundet das Quartett somit Justin Timberlake. Da hat der Sänger jetzt mal nachzulegen.

Zum zähen Dauerbrenner hat sich auch Das geht ab! [Wir feiern die ganze Nacht] von Frauenarzt & Manny Marc entwickelt. Es steht bereits in der insgesamt 20. Woche in der media control-Liste und kann in dieser Woche sogar noch einmal um einen Platz auf die Position 10 steigen. Damit haben sie acht Wochen im Club der besten 10 gesammelt. Das hätte beim allerersten Einstieg des Titels am 17. April wohl keiner gedacht und es ist auch ein schöner Beweis (ob man den Titel nun mag oder nicht), dass es auch noch Hits gibt, die sich nicht von der Industrie gesteuert etablieren. Und vielleicht haben wir ja mit „Atzenmusik“ jetzt sowas wie eine neue Schublade im Pop-Business …

Eine abrupte Kehrtwendung in ihrer Chartbewegung machen Cascada, die mit Evacuate The Dancefloor noch einmal von der 24 auf die 19 steigen können. Der Track ist alles andere als neu, aber der bei weitem erfolgreichste Titel des Projektes. Drei Wochen stand er auf Position 5 in der media control Liste. Das gleichnamige Album brachte es bis Platz 21 in den Album-Charts (für einen reinen Dance-Act nicht mal schlecht). Und gerade flatterte die Meldung herein, dass Cascada auch für die „1LIVE Krone“ nominiert wurden. – In zwei Wochen können wir dann den Start der neuen Single Fever begutachten. Ich kann schon mal vorweg nehmen: so infektiös wie Evacuate The Dancefloor ist das neue Werk bei weitem nicht. Zu viel von allem wurde da verramscht … aber dazu in zwei Wochen sicher mehr. In der Zwischenzeit also holt der ultimative Glücksgriff in Sachen Produktion Evacuate The Dancefloor nochmal ein paar Punkte.

So weit die mehr oder weniger auffälligen Chartbewegungen. Und was gab es erfolgreiches Neues in den CD-Regalen? Mark Medlock und Livingston hab ich schon erwähnt. Etwas weniger umsatzträchtig startet auch DJ Ötzi in die nächste Aprés Ski- und Karneval-Saison. Für dieses mal hat er sich den Mitgröler Sweet Caroline auserkoren und neu eingespielt. Der Titel ist schon seit einer Weile mit dem Nr.1-Album Hotel Engel in Umlauf. Im Original stammt er von niemandem Geringeren als Neil Diamond, der ihn ursprünglich 1969 geschrieben hatte. In den USA und in Großbritannien landete er damit dann auch einen Hit in den jeweiligen Top 10. In Deutschland war der Erfolg dagegen eher bescheiden: Platz 37 im Mai 1971. Trotz dieser mageren kommerziellen Ausbeute, gehört der Titel zu den Klassikern. Im englischsprachigen Raum wurde er von zahlreichen Teams als Hymne bzw. Einlauftitel benutzt. Zahlreiche Künstlern lieferten Neuinterpretationen, DJ Ötzi ist allerdings der erste, welcher dem Titel in Deutschland wieder zu Chartehren verhilft und gleich mal den Erfolg von vor 38 Jahren wiederholt: Sweet Caroline steigt ein auf Platz 37.

Einen Charteintritt ohne CD-Veröffentlichung legen die Pussycat Dolls mit Hush Hush, Hush Hush hin. Es gibt nicht einmal einen Release-Termin als eSingle, lediglich als Albumtrack ist Hush Hush, Hush Hush erhältlich. In Großbritannien, wo die Pussycat Dolls als Superstars durchgehen, gibt es den Titel als CD-version bereits seit 12. August. Allerdings war der Erfolg mit Platz 17 nicht so überzeugend. In Deutschland war bereits die vorhergehende Single Jai Ho! (You Are My destiny) mit Platz 29 nur ein mäßiger Erfolg. Vielleicht auch dieses Ergebnis ein Grund, auf weitere Auskopplungen aus dem Album Doll Domination zu verzichten? Was aber hat nun eigentlich die plötzliche Nachfrage ausgelöst? Die Ankündigung, dass die Pussycat Dolls für die nächste Zeit in eine Pause gehen?

Wirklich aufregende Neuveröffentlichungen sind im Moment eher rar, und vieles von dem, was da schnell ganz nach oben schießt ist dann auch schnell wieder draußen. Das heißt unter anderem aber auch, dass es da ein paar Titel gibt, die sich lange lange Zeit in der Gunst der KäuferInnen halten können. Das Titel ein komplettes Jahr lang ununterbrochen notiert sind wird fast schon zur Normalität. Neuester Anwärter auf diese Leistung ist Peter Fox. Sein Haus am See wird in dieser Woche zum 50. mal hintereinander notiert. Es klettert noch einmal von der 52 auf die 50 und etabliert sich nun wirklich fest in der All-Time-Auswertung der am längsten ununterbrochen notierten Titel. Der letzte Track, der es bis in diese Höhen geschafft hat, war Infinity 2008 vom Guru Josh Project mit 51 Wochen (in dieser Woche von der 69 auf die 74 fallend). Peter Fox wird dieses Ergebnis mit Sicherheit überbieten. Um wieviel, das werden wir in Kürze wissen.

Und damit wären wir in der unteren Hälfte der Charts abgekommen, wo sich noch einige CD-Neuveröffentlichungen vom 25. September platzieren können. Aus seinem Best of-Album Volume (immerhin im Sommer Platz 18 in den Albumcharts) schickt der Berliner DJ Paul van Dyk eine weitere Single ins Rennen. Home ist eine Zusammenarbeit mit Johnny McDaid. Bereits 2003 hatten die beiden einen gemeinsamen Hit namens Time Of Our Lives. Damals war der Sänger allerdings noch mit seiner Band Vega4 unterwegs, weshalb sein Name nun erstmals als offizieller Solo-Act in die Chartbücher eingeht. Time Of Our Lives brachte es 2003 bis zu einem ansehnlichen Platz 14. Mit Home reicht es jetzt allerdings nur noch für Platz 54, das schlechteste Ergebnis für einen Titel von Paul van Dyk in den deutschen Charts. Eventuell ist der van Dyk-Sound nun doch nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit und zu seicht und beiläufig.

Höhe der Zeit, das ist auch das Stichwort für die Single von Bully & Sasha. Zum einen kommt die CD Father And Son mit einiger Verspätung. Der Film Wickie und die starken Männer bereits seit 9. September sehr erfolgreich in den deutschen Kinos, wieso hat man mit der Veröffentlichung des Titels mehr als zwei Wochen gewartet? Und dann ist Father And Son ein waschechter Rockabilly / Rock’n’Roll-Titel. Irgendwie scheint das ja grad eine Mode zu sein, ich denke da nur an The Baseballs (mit Hot N Cold in dieser Woche von der 68 auf die 76 rutschend). Für Sasha ist dieses Genre natürlich nicht ganz so neu. Als Dick Brave and The Backbeats tourte er zwischen 2002 und 2006 durch das Land und konnte mit Take Good Care Of My Baby 2004 sogar einen mittleren Hit landen. – Diese Zeiten sind allerdings gründlich vorbei. Und ich frage mich ohnehin, was mit Sasha und seinen Fans eigentlich passiert ist. Vor zwei Wochen viel On The Run mit Platz 82 grandios durch, obwohl es als Titelmelodie zu „ran“ auf sat.1 Supermedienpräsenz besitzt. Und nun geht Father And Son lediglich auf Platz 64 in die Liste. Zweimal in Folge verpasst Sasha also die obere Hälfte der Charts. Das hat es bisher noch nie gegeben. Kann Sasha nur hoffen, dass die nächste Single – ein Duett mit Maria Mena besser abschneidet.

Das gleiche wird sich vielleicht die Duettpartnerin aus Norwegen auch denken. Nachdem vor ziemlich genau einem Jahr mit All This Time (Pick-Me-Up Song das letzte mal ein Titel neu von Maria Mena in die Charts eintrat, schafft es nun ihre dritte Auskopplung aus dem Cause And Effect-Album doch noch, so etwas wie ein Hit zu werden. Allerdings nur ein ganz ganz kleiner. Es handelt sich dabei um I Was Made For Lovin’ You, ein sehr gefühlvolles und zärtliches Cover des KISS-Klassikers. Diese Version ist allein deshalb schon großartig und bemerkenswert, weil es vom Original so fast gar nichts mehr hat und trotzdem sehr sehr gut funktioniert. Leider reicht das aber nicht, um den Titel richtig groß zu machen (zumindest was den kommerziellen Erfolg angeht). Platz 91 nach Veröffentlichung ist einigermaßen verschenkt. Schade. – Das Original war übrigens gerade in diesem Jahr letztmalig platziert. Genau am 5. Juni stand es auf Platz 98.

Zufrieden kann dagegen Linkin Park-Sänger Chester Bennington im Moment sein. Seine Band punktet mit New Divide in dieser Woche (die 15.) nochmal ganz gut und steigt von 42 auf die 39. Zudem startet auch sein Nebenprojekt Dead By Sunrise mit der Debüt-Single Crawl back In in den Verkauf und kann sich auf der Position 70 breit machen. Gerade erscheint das dazugehörige Album Out Of Ashes. Was soll da noch schief gehen? Stilistisch sind die Unterschiede zwischen den beiden Projekten nicht so arg groß. Dead By Sunrise sind vielleicht ein klein wenig rauer und dreckiger. Die Stimme von Chester Bennington ist aber auch hier deutlich prägend.

Back to the dancefloor. Die dänische Sängerin Ida Corr steht mit I Want You bereit. Nachdem Ride My Tempo im Mai mit Platz 54 knapp die obere Hälfte der Charts verpasst hat, sieht es bei I Want You wesentlich klarer aus. Platz 72 bedeutet, hier kaufen wirklich nur noch Fans. Ist ein schöner Track, aber wohl doch den Vorgängern zu ähnlich. Ich nehme an, wenn sich Ida Corr nicht grundsätzlich neu erfindet, dann war es das schon so ziemlich von ihr.

Mit ordentlich Wiedererkennungseffekt kommt auch die neue Single von Basshunter daher. Every Morning klingt so wie davor I Miss You und davor All I Ever Wanted und davor Now That You’re Gone und davor Boten Anna. Mit den Platzierungen ging es dementsprechend auch immer weiter nach unten. Every Morning startet nur noch auf der 77. Und das Cover zur CD … das ist gleich mal ganz dämlich. An dieser Stelle kann ich nur sagen: siehe die Empfehlung zu Ida Corr.

Fast schon ein Superstar in seiner Heimat Großbritannien ist Dizzee Rascal. Drei Nr.1-Hits in Folge hat er dort innerhalb der letzten 14 Monate gelandet. Und grade startet dort sein neuester Streich Dirtee Cash. So richtig will das Ganze aber noch nicht auf den Kontinent rüberschwappen. Dizzee Rascal ist hier fast noch ein Geheimtipp. Seine Kolaboration mit Calvin Harris und Chrome namens Dance Wiv Me landete im März mit einem Jahr Verspätung auf der 48. Im Juli ging dann Bonkers zusammen mit Armand van Helden auf die 58 und nun steht Holiday an. Wieder ist es eine Colaboration mit Chrome, und wieder hat Calvin Harris produziert. Alles in allem Popmusik auf sehr zeitgemäßem Niveau, nur leider: weder Durchschnittskäufer noch Plattenlabel sind in Deutschland sehr an Innovation interessiert. Das meiste was sich hier verkauft ist eher konventionell bis konservativ. Also bringt es auch das Nonplusultra aus dem Königreich lediglich bis zu Platz 78 hierzulande. Da fehlt wieder mal eine mutige Casting- oder Modellshow, die den Titel einfach so einsetzt als Background, damit das Volk die Coolness des Sounds erkennt.

Der einzige (aber sehr winzige) Trost ist, dass Dizzee Rascal immerhin minimal besser abschneidet als der Super RTL-Kindergarten-Zirkus Cherona. Die Casting-Plastik-Band stellt mittlerweile auch schon ihren dritten Titel vor. Diesmal heißt er Dragonfly. Natürlich ist auch das wieder Gebrauchspopmusik zum wegwerfen. Schon in zwei Wochen wissen wir nichts mehr von dem Titel. Sony Music wird es aber wieder ein paar Euro mehr eingebracht haben. Schön ist es zu sehen, dass für das Projekt bei Single Nr.3 aber nur noch Platz 78 drin ist. Sind sie sicher auch bald weg vom Fenster. Hoffentlich machen die Band-Members danach irgendwas Sinnvolles.

Teenie-Musik, allerdings der wesentlich seriöseren Art, machen die Jonas Brothers. Erfunden und vermarktet vom Disney-Konzern, bringen die drei Jungs sämtliche Mädchen zwischen 11 und 14 völlig durcheinander. Und nachdem sie dann bei der ersten Las vegas-Workshop-Folge der Popstars auch ganz gut medial präsentiert wurden, konnte ja mit der Single Fly With Me gar nichts mehr schief gehen. Dachten sich die Marketing-Verantwortlichen. Aber, ach … Fly With Me bringt es nur auf die 89. Das ist mager. Gut, dass es in ihrer Heimat, den USA, wesentlich besser läuft. Sonst würden sie mit Sicherheit demnächst aufgelöst werden.

Apropos Popstars: auch in dieser Woche gibt es wieder einige Titel, die von der Präsenz in der Pro7-Castingshow profitieren. Da wären zum Beispiel: P!nk mit Funhouse, das noch einmal 4 Plätze gut machen kann und auf der 27 landet, nachdem Agi, Dagmara, Sandra und Julia den Titel sangen. Halo von Beyoncé, dass nach der Performance durch Valentina, Pauline und Vanessa von der 45 auf die 32 steigt. Und sogar The Killers schaffen in ihrer 36. Woche noch einmal sich auf Platz 92 durchzusetzen (letzte Woche 94), nachdem Aytug, Maik, Danny, Harry, Leo und Daniel mit ihrer Performance von Human in der Show aufwarteten. Richtig großartig ist allerdings, dass sogar T.I. (feat. Justin Timberlake) mit ihrem Top 10-Hit Dead And Gone nochmal eine Rückkehr auf Platz 99 schaffen, nachdem sie vor drei Wochen ja bereits hätten notiert werden können. Aber da war der Titel nicht mehr genug im kollektiven Bewusstsein gespeichert. Nun ist er zurück, wenigstens für eine Woche … dank Burim, Andy, Nik, Damien und Marc.

Und damit sind wir nun auch bei den sonstigen Rückkehrern angekommen. In dieser Woche sind’s dann gar nicht so viele. Mit der Veröffentlichung seines neuen Albums Stark steigt auch die Nachfrage nach Howard Carpendales Single Noch immer mittendrin. Ein durchaus seltsamer Effekt … vermutlich wird für den Longplayer eine Menge Werbung gemacht, aber es gibt doch genug Unentschlossene, die erstmal nur ein kleines Häppchen wollen. Und damit geht Noch immer mitten drin nach Platz 71 vor zwei Wochen nun noch einmal auf Platz 97 in die Auswertung.

Und ganz am Ende der deutschen Charts kehrt ein Ex-Nr.1-Hit zurück: James Morrison featuring Nelly Furtado standen mit Broken Strings den kompletten Februar und noch ein klein wenig drüber an der Spitze. Vor drei Monaten war es dann nach 24 notierten Wochen erstmal vorbei, denn da reichten die Verkäufe nur noch für eine Platzierung unterhalb der Position 50. Jetzt ist die Zwangspause vorbei, Broken Strings kehrt noch einmal zurück, wie gesagt auf der Position 100. Und wir können ein leises Ciao flüstern.

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