Nachdem die erste Hälfte des Jahres fast schon in schierer Langeweile verging – zumindest was die Nr.1-Titel anging – hat nun die deutsche Hitliste ordentlich Fahrt aufgenommen. Eine dritte Woche in Folge können wir einen komplett neuen Titel an der Spitze feiern … das ist in letzter Zeit nicht mehr so oft der Fall gewesen. Zuletzt im Februar 2007 als sich Tokio Hotel, Herbert Grönemeyer, Höhner und am Ende noch DJ Ötzi & Nik P. den Titel gegenseitig abluchsten. … Aber das sind alte Geschichten. Und nichts wiederholt sich wirklich. In dieser Woche klettert in ihrer vierten Chartwoche niemand Geringeres als Lady Gaga auf das Siegerpodest. Platz 1 gibt es für Paparazzi, das Lied über die verrückte Fan, die ihr Idol überall hin folgt, bis zum bitteren Ende. In den Radiocharts steigt Lady Gaga auch fleißig nach oben – einzig Robbie Williams kann sich vor ihr platzieren. Und da sind wir dann schon so ziemlich bei der anstehenden Schlacht der kommenden Woche …
Aber erstmal: Egal ob man nun Lady Gaga mag oder nichnt, sie ist die erfolgreichste Künstlerin des Jahres und hat mit ihrem Sound samt Kostümierungsshow den Nerv der Zeit ultimativ getroffen. Zwei Nr.1 Hits in einem Kalenderjahr, mittlerweile die 14. Woche in 2009 an der Spitze der Charts … zuletzt gelang das der moldawischen Band O-Zone im Jahr 2004 (die brauchten für diese Leistung allerdings nur einen einzigen Titel). Was bleibt da weiter zu sagen? Im November ist ein Re-Release ihres Albums The Fame als The Fame Monster geplant. Sehr wahrscheinlich werden darauf auch ein oder zwei noch nicht veröffentlichte Tracks enthalten sein. Das bedeutet, um die Weihnachtszeit könnte Lady Gaga noch einmal ganz beträchtlich zuschlagen … vielleicht sogar mit einem dritten Nr.1-Hit? – Vorerst steht aber Paparazzi an der Spitze und in der nächsten Woche wird das oben schon anvisierte Duell ausgetragen. Mal schauen, wer da den längeren Atem hat und ob sich Chart-Veteran gegen Aufsteigerin des Jahres durchsetzen kann.
Den Thron räumen nach einer einzigen Woche David Guetta feat. Akon. Der Überraschungssieger der letzten Woche Sexy Bitch lässt sich auf die Position 2 verdrängen. Und auf Platz 3 steht noch einmal die Norwegerin Marit Larsen mit If A Song Could Get Me You. Somit haben wir drei Nr.1-Hits nebeneinander an der Spitze stehen. Viel Bewegung auf der führenden Position heißt also noch lange nicht, dass sich der Geschmack grundsätzlich schnell ändern würde.
Bester Songstart der Woche geht an: (Tusch + Fanfare) Bon jovi. Und ich muss ehrlich sein, ich hätte dieses Ergebnis dem alten Rocker samt Band nicht zugetraut. Zum einen,weil ich Bon Jovi ganz und gar nicht für einen zeitgemäßen Künstler halte. Das was er da produziert hätte ziemlich genau auch vor 25 Jahren schon so erscheinen können … aber auch er trifft offensichtlich den Nerv einer ziemlich breiten Schicht von MusikkäuferInnen, die eben genau das wollen: Musik wie sie schon immer war … laut, irgendwie auch rebellisch, rau und mit ordentlich Gitarrensound. Was immer sich dahinter verbirgt, vielleicht die Sehnsucht nach den guten alten Zeiten, vielleicht auch das Gefühl, dass es eben genau jetzt doch nötig ist, gegen jegliche Form von Bürgerlichkeit zu rebellieren … dieses Gefühl bringt derart viele KäuferInnen dazu sich den Titel bereits bei seiner Premiere als Download-Single zu laden, dass er aus dem Stand einen Einstieg auf Platz 10 schafft. Das ist für dieses Jahr das beste Ergebnis für einen digital-only-Titel. Am 23. Oktober erscheint die Single auch auf CD und ab 6. November gibt es auch das neue Album The Circus. Da wird es dann sehr wahrscheinlich noch einmal einen ordentlichen Schub geben und ich schätze, Platz 10 ist noch längst nicht alles, was wir hier gesehen haben. Mit dieser Veröffentlichungspolitik beweist Bon Jovis Label Island/Universal mal, dass eben auch gestandene Rocker, die schon in den 80ern aktiv waren, noch ordentlich was lernen können und in Sachen Vermarktung direkt am Geist der Zeit dran sind. Alle Achtung! Ich gebe zu, auch das hätte ich Bon Jovi erstmal nicht zugetraut.
Mit We Weren’t Born To Follow lanciert Bon Jovi einen 34. Titel in den deutschen Charts. Sechs weitere platzierten sich zwischen 1990 und 1998 unter dem Namen des Lead-Sängers Jon Bon Jovi. Innerhalb der Top 10 landet die Band nunmehr zum neunten male. Zuletzt war sie dort 2007 anzutreffen, als You Want (To Make a Memory) – die Leadsingle aus dem Vorgänger-Album Lost Highway – bis zur 5 vormarschierte. Etwas, das We Weren’t Born To Follow vermutlich auch noch schaffen wird. Leadsänger Jon Bon Jovi kann mit seinem 97er Hit Midnight in Chelsea einen weiteren Top 10-Erfolg hinzufügen. Der größte Hit von Bon Jovi war der Titelsong zur Fußball-EM 2000 It’s My Life, der in Deutschland für vier Wochen auf Position 2 stand.
Eine Anmerkung muss ich noch bringen: anfangs hab ich ein wenig verwundert getan über die hohe Platzierung von We Weren’t Born To Follow. Natürlich ist das reichlich subjektiv. Denn wenn man sich die Chartplatzierungen der jeweiligen Erstauskopplungen aus neuen Alben anschaut, dann bringt Bon Jovi seit Anfang der 90er regelmäßig diese mit anständiger Sicherheit in die deutschen Top 10. Die Platzierung von We Weren’t Born To Follow ist also insgesamt sogar zu erwarten gewesen, bzw. sollte mit Erscheinen der Hard-Copy tatsächlich noch um ein paar Punkte besser abschneiden. Bemerkenswert ist, dass im Heimatland USA Bon Jovi ganz und gar nicht auf solche Erfolge verweisen können. Ihr letzter Top 10 Hit stammt aus dem Jahr 1994 und hieß Always. Richtige Überstars mit insgesamt vier Nr.1-Hits waren sie zwischen 1986 und 1989. Seit dieser Zeit hat sich der Mainstream-Geschmack in den Vereinigten Staaten ganz vehement dem Black Music/HipHop-Sektor zugewandt.
Allerletzter Satz zu Bon Jovi bzw. zu Bandleader Jon Bon Jovi. Dieser ist seit 1986 ununterbrochen in jedem Jahr mit irgendeinem Titel bzw. in irgendeiner Konstellation in den deutschen Charts vertreten gewesen. Das sin nunmehr 24 Jahre durchgehend. Das ist nicht nur ziemlich beachtlich, sondern steht auch ganz nah bei der Übermutter der aktuellen Pop-Geschichte Madonna. Sie ist bereits zwei Jahre länger ohne Unterbrechung im kommerziellen Geschäft.
Der erfolgreichste CD-Neustart der Woche gehört einem deutschen Projekt. Oder vielleicht muss ich auch sagen: DEM deutschen Projekt, denn Scooter veröffentlichten soeben ihr 14. Studioalbum Under The Radar Over The Top und gleichzeitig eine zweite Single daraus Ti Sento, die in den deutschen Charts der 42. platzierte Titel der Band ist. Mit diesem Ergebnis sind sie nun häufiger vertreten gewesen als die Beatles oder Michael Jackson, und ein Ende ihrer Karriere ist nicht in Sicht. Vor allem, weil sich Scooter gerade zum Act zu entwickeln scheinen, der vermehrt Alben verkauft. Under The Radar Over The Top landet in der ersten Woche auf Platz 2 der Album-Charts und ist das beste Ergebnis, welches die Band dort bisher einfahren konnte. Ti Sento dagegen verpasst mit Platz 11 ziemlich haarscharf die Top 10 und steht nun als vierter Titel in einer Reihe mit den Vorgängern, denen gleiches widerfuhr.
Wem der Titel irgendwie bekannt vorkommt, der/die hat ganz recht. Scooter haben sich den einzigen Erfolg der italienischen Gruppe Matia Bazar genommen und mit allerlei weiteren Zitaten (bei wikipedia wird unter anderem Snap! mit Rhythm Is a Dancer genannt) und ihren typischen Shout Outs versehen. Ob das Ganze tatsächlich zusammenpasst bzw. was die neue Kombination macht, darüber kann man sich wie immer ewig streiten. Fakt ist: Matia Bazar brachten Ti sento 1986 auf Platz 11 der deutschen Charts. Die Sängerin Antonella Ruggiero stand für Scooter erneut vor dem Mikrofon, spielt auch im Video mit, und landet 23 Jahre nach ihrem einzigen Erfolg in Deutschland wieder auf Platz 11.
Noch eine wichtige Single-Veröffentlichung stand am 2. Oktober auf dem Plan: Whitney Houston legte Anfang September mit ihrem Comeback-Album I look To You eine grandiose Rückkehr hin: Platz 1 in den Album-Charts sofort. Wer hätte das dem Superstar aus den 80ern hierzulande zugetraut? Ihr Versuch vor 7 Jahren scheiterte mit Platz 16 ja ziemlich. Und nun das. – Seltsame Veröffentlichungstaktik gehört zum aktuellen Management: der Titelsong wurde erst jetzt, einen ganzen Monat später, veröffentlicht. Zusammen mit dem Titel Million Dollar Bill. Was passiert? Keiner interessiert sich mehr so richtig dafür. Die Doppelsingle kann gerade mal auf Platz 41 landen – bedeutungslos wenn wir über Ohrwürmer/Gassenhauer/Evergreens oder ähnliches sprechen. So ist also der 30. Titel, der sich von Whitney Houston in den deutschen Charts platzieren kann, zwar eine schöne Ballade, kann sich aber nur wenige Plätze besser notieren als ihr letztes Lebenszeichen aus dem Jahr 2002 Whatchulookinat. Und kann sich daran noch jemand erinnern?
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