Die Schlagzeile der Woche war, dass Schäfer Heinrich nun tatsächlich die Top 10 der deutschen Single-Charts erklimmen konnte. Und das hinterlässt mich schon auch ein wenig fassungslos. „Das Schäferlied“ steigt in seiner zweiten Woche von der 14 auf die 6. Klar, die RTL-Doku-Soap „Bauer sucht Frau“ glänzte mit unglaublichen Quoten. Spannend ist es sicher auch, dem Hype drumherum zuzuschauen: Schäfer Heinrich auf allen Kanälen. Kein abendliches Zapping mehr ohne den neuen Medienstar. Aber mal ehrlich: ist es nötig, sich zur Dokumentation dieser hysterischen Inszenierung sich auch noch die CD zuzulegen? (Und es ist bezeichnend, dass „Das Schäferlied“ in den Download-Listen eher unter ferner liefen rangiert.) EMI Music spricht in der Ankündigung so schön von einer Hommage an das einfache Leben als Schäfer. Hmm – Sehnsucht nach Einfachheit? Sozusagen die Hardcore-Variante von Kid Rock? Lobpreis der Zeiten als es weder Internet noch Strom gab? ... Ich habe „Das Schäferlied“ jedenfalls noch nicht ein einziges mal wirklich bis zu Ende gehört. Und es ist auffällig, dass über die Musik an sich bei all dem Medienrummel kaum gesprochen wird. Und sollte die CD nach dem Finale der Staffel am Montag mit 7,55 Mio Zuschauern und dem Auftritt bei The Dome 48 am Freitag den 5.12. (TV 6.12.) noch weiter klettern, ich werde auch dann nicht Schäfer Heinrich als ernstzunehmenden Popstar ansehen.
Diese Meldung überschattete alles. Bei der sehr statischen Spitzengruppe auch nicht allzu verwunderlich. Katy Perry steht mit "Hot N Cold" eine zweite Woche auf der 1. Auf dieser Position steht sie derzeit auch in Österreich, Dänemark und Bulgarien. Für ihr Debüt in Deutschland "I Kissed A Girl" (derzeit von 23 auf 24) erhielt sie gerade eine Grammy-Nominierung in der Kategorie "Best Female Pop Vocal Performance". Na hola!
Für Autor Max Martin (der übrigens auch bei "Hot N Cold" an der Gitarre stand) ist diese Woche bereits die zehnte im Jahr 2008, welche er in irgendeiner Form an der Spitze verbringt. Das ist unangefochten der Spitzenreiter. Da können auch Ryan Tedder (OneRepublic) und Timbaland nicht mithalten, obwohl diese beiden ebenfalls an mindestens zwei Nr.1-Hits beteiligt waren.
Der Aufsteiger schlechthin ist ein Duo, welches vor zwei Wochen schon für Aufmerksamkeit sorgte. Bushido feat. Karel Gott steigen mit "Für immer jung" von der 34 auf die 5, nachdem nun auch die CD im Handel erhältlich ist. Leider ist auch nach dem 100. Anhören nicht wirklich viel Neues über dieses Stück Popkultur zu sagen. Bushido widmet sich in seinem Part der Sehnsucht nach der ewigen Jugend, allerdings in eher bekannter Art: älter werden ist Scheisse, Kinder nerven ihre Eltern nur und überhaupt was soll das ganze Dasein hier überhaupt? Eigentlich all das, was auch in Millionen von Magazinen, Zeitung, billigen Internet-Seiten etc. steht. Immerhin kommt Bushido ja zu dem Schluss, dass es sich aufgrund der tristen Sachlage absolut lohnt, den Moment zu genießen. Das ist ja schon mal ein Anfang. Vielleicht kommen ja irgendwann auch noch weitere Vorschläge, wie wir unser Leben hier angehen können ohne in Selbstmitleid zu vergehen.
Statistisch gesehen ist "Für immer jung" mit dem Sprung in die Top 5 die erfolgreichste Variante des Titels von Alphaville aus dem Jahr 1984. Für Bushido ist es nach "Alles verloren" der zweite Top 5-Hit und derzeit die zweithöchste Platzierung überhaupt in den deutschen Charts. Und Karel Gott, der tschechische Schlagerstar schafft es nach 45 Jahren im Musikbusiness erstmals, hier in Deutschland in die Spitzengruppe vorzudringen. Und wenn ich mir anschaue, wie alt der Rest der Titel in der Spitzengruppe schon ist, dann ist da zum Fest wahrscheinlich noch eine Platzierung unter den ersten 3 drin.
Weitere Bewegung gibt es in den Top 10 durch Britney Spears, die mit "Womanizer" ihren Abwärtsdrang von letzter Woche umkehrt und wieder zwei Plätze auf die 7 steigt. Und auf der 10 klettern wieder rein Curse mit Silbermond und "Bis zum Schluss".
In den oberen 20 ist es Peter Fox, der noch einmal den langsamen aber steten Fall von "Haus am See" aufhalten kann und mit einem kleinen Sprung von der 25 wieder auf die 18 geht. Eventuell hat sein Auftritt bei der 1LIVE Krone und natürlich die Auszeichnung für das beste Album da ein wenig geholfen. Die Vorgängersingle "Alles neu" ist jedenfalls auch noch drin und hält sich wacker auf der 46.
Die zweite Geschichte der Charts ist eigentlich eine alte, denn es geht - wen wunderts - wieder und immer noch um die Invasion der Weihnachtstitel. Die Spitze bildet nach wie vor Wham! mit "Last Christmas" welches von der 42 auf die 20 geht und sich damit das fünfte Jahr in Folge im oberen Fünftel der Charts einrichten kann. Auch ein Rekord für sich. Etwas widersprüchliche Angaben existieren über die komplette Wochenanzahl. die sich der Titel seit 1984 in der Liste befand. media control (die offizielle Auswertungsstelle) spricht von 71 Wochen, bei chartsurfer.de stehen 76 Wochen, was genauso viele wären wie DJ Ötzi & Nik P. mit "Ein Stern (der deinen Namen trägt)" mittlerweile gesammelt haben. Es ist anzunehmen, dass hier die Jahreswechselwochen zwischen 1997 und 2000 mitgezählt wurden, in denen keine regulären Charts herausgegeben wurden.
Melanie Thornton steigt mit "Wonderful dream (Holidays Are Coming)" von der 71 auf die 33 und ist damit auch schon das 8. Jahr in Folge mindestens für jeweils eine Woche in der oberen Charthälfte vertreten. Vor knapp einem Jahr hat es bis Position 14 gereicht.
Mit einem ganz neuen Titel reiht sich Michael Wendler in die Auflistung der Saison-Hits ein. "Ich denk an Weihnachten" bringt den König des Discofox auf die 50 und damit seit langem mal wieder ein deutschsprachiges Weihnachtslied etwas höher in die Liste.
Band Aid 20 steigt mit "Do They Know It's Christmas?" von der 89 auf die 52 und ist erreicht damit die höchste Position seit Anfang 2005, als es das erste mal erschien. "Driving Home For Christmas" von Chris Rea geht hoch von 74 auf die 56, Mariah Carey steigt mit "All I Want For Christmas Is You" von 84 auf 57. Auch Rapper Sido ist wieder mit seinem "Weihnachtssong" dabei. Bei media control wird er mit der Version 2007 auf der 74 gelistet, (wieder) erschienen ist am 28.11. eine 2-Track-Single ohne Jahresangabe und bei YouTube wird heftig Version 2008 gefeiert. Welche nun genau einsteigt ... fragt mich nicht. Wahrscheinlich alle Varianten zusammen (die ja so unterschiedlich auch nicht sind).
Ab Platz 82 wird es dann richtig interessant, denn da steht vielleicht DER Weihnachtsklassiker wieder in der Liste: Bing Crosby mit "White Christmas" aus dem Jahr 1942. Spannend daran ist, dass dieser Titel trotz seiner Bekanntheit erst in der dritten Woche notiert ist. Und das alles, weil die Plattenfirmen in Deutschland irgendwie völlig verpasst haben, die Aufnahme mal als Single wiederzuveröffentlichen. Es gibt unzählige Weihnachts-Editionen von Bing Crosby und Kollegen (mit denen lässt sich offenbar mehr Geld verdienen), aber dieser eine Titel, den kann ich mir höchstens als Download holen. Und das haben wie im letzten Jahr wohl einige getan, so dass es für einen Wiedereinstieg reicht. Nebenbei bemerkt: "White Christmas" wird als der zweitbestverkaufte Titel aller Zeiten nach Elton Johns "Candle In The Wind" gehandelt. Fast das Gleiche lässt sich auch über José Felícíano und "Feliz Navidad" erzählen. Wieder drin auf der 82 nachdem es im letzten Jahr überhaupt zum allerersten Mal gechartet war und bis auf die 42 klettern konnte. In diesem jahr geht es bereits früher los und wird wohl deshalb auch eine neue Spitzenposition erreichen.
Schließlich sind auch Frankie Goes To Hollywood mit dem 80er-jahre-Klassiker "The Power Of Love" auf der 91 wieder mit dabei und auf der 98 in der auch erst 3.! Woche dabei John & Yoko + The Plastic Ono Band with The Harlem Community Choir und "Happy Xmas (War Is Over)".
Der höchste Neuzugang ist in dieser Woche auf der 27 zu finden. Das ist ungewöhnlich in zweierlei Hinsicht. Zum einen liefern die Monrose mit ihrer dritten Single aus dem "I Am"-Album "Why Not Us" ihre bislang schlechteste Chartperformance ab. Zum anderen ist Rang 27 als höchster Neuzugang für 2008 die immerhin zweitschlechteste Position. Klar gab es Zeiten, z.B. in den 70er und 80er Jahren, da war eine Position 27 schon recht gut als höchster Neuzugang. Seit den 90ern hat sich aber das Marketing der Plattenfirmen grundlegend geändert und enorm auf den Erscheinungstermin einer CD konzentriert. Und so funktioniert der Markt immer noch, trotz leichter Auflockerung durch Downloadzählung. Und so kommt es, dass 2008 lediglich die Woche bis zum 11. Januar (Verkäufe in der Silvesterwoche 07/08 bis 4.1.) mit einer noch schwächeren Performance aufwarten konnte. Damals startete Pur mit dem "Partyhitmix Vol. 2" auf der 41.
Warum "Why Not Us" im Vergleich zu den anderen Titeln so durchfällt, ist gar nicht richtig erklärbar. Im Grunde hat auch diese Produktion alles, was zu einem guten Popsong gehört, inklusive graphisch spannendem Video. Zu viel Pathos kann es auch nicht sein, da treiben sich wesentlich bombastischere Titel viel weiter oben herum. Aber vielleicht ist es auch genau das: zu zaghaft benutzte Stilmittel. Eben nicht der ganz große Kitsch. Oder die KäuferInnen haben von den Monrose erstmal genug und warten lieber auf die erste Veröffentlichung von Queensberry. Als Trost genügt vielleicht das: "Hit N' Run" befindet sich in dieser Woche noch auf der 85.
Einen Platz hinter den Monrose kehrt Alex Christensen mit seinem aktuellen Projekt Alex C. feat. Yass in die Charts zurück. Waren es bislang schönste Ärsche, Pornos oder "Doktorspiele", so geht es ihm mit seiner neuesten Produktion um "Liebe zu dritt". Wirklich überzeugend ist auch dieser Einstand nicht, befindet sich doch "Liebe zu dritt" nicht auf dem "Euphorie"-Album der beiden und ist somit neues Material. Aber da beginnt auch schon das Problem: wirklich neu klingt nämlich "Liebe zu dritt" nicht. Das könnte jetzt gut und gerne auch der vierte Aufguss von "Du hast den schönsten Arsch der Welt" sein. Da hilft auch kein auf YouTube zensiertes Video, das dann überhaupt nicht besonders explizit ist.
Neu in der oberen Hälfte der Charts auf der 35 ist die nächste Auskopplung aus dem "Wettsingen in Schwetzingen"-Album. Xavier Naidoo feat. Cassandra Steen fragen sich "Wann". Ich bin wahrhaftig kein Xavier Naidoo-Experte. Das ist mir dann meist alles zu religiös verkitscht und schwiemelig. Auch hier gibt es so schöne Textzeilen wie ".... die Seele schreit .... man wird von großen Taten hören ....". Weissagungspoesie, mit der ich nicht so viel anfangen kann. Auch nicht zu Weihnachten.
Cassandra Steen ist keine ganz Unbekannte mehr. Mit Glashaus kann sie bereits auf 9 Chart-Hits verweisen. Als Solo-Künstlerin stand sie schon an der Seite von Bushido, Illmatic und Sabrina Setlur. Die Kolaboration mit Xavier Naidoo stellt für sie die 15. Chartperformance dar. Platz 35 gehört dabei sogar zu den erfolgreicheren Auftritten.
Xavier Naidoo chartet auch solo. Und zwar mit "Dieser Weg" auf der 100. Die Söhne Mannheims sind mit ihrem Nr.1-Hit aus dem Unplugged-Album noch auf der 58 vertreten. Das dürfte allerdings ihre letzte notierte Woche sein.
Weiter unten punkten in den Charts The Offspring. Ihre Single "You're Gonna Go Far, Kid" steigt auf der 67 ein und ist seit fast vier Jahren ihr erstes Auftauchen in der Liste. Allerdings ist auch diese Performance für die Band ein eher schwaches Ergebnis, vor allem nach ihrem prominenten Auftritt bei Stefan Raabs Stock Car Crash Challenge 2008 am 29. November. Die im Mai veröffentlichte Vorgängersingle "Hammerhead" war gleich gar nicht gechartet – das allerdings aus anderen Gründen. Sie stand nämlich zum kostenfreien Download zur Verfügung und wurde deshalb in den Verkaufscharts nicht berücksichtigt.
Ganz neu dabei ist die New Yorkerin Ingrid Michaelson. Ihre Songs wurden vor allem durch das Internet und den Einsatz bei Fernsehserien wie "Grey's Anatomy – Die jungen Ärzte" populär. Da die Bildermedien immer ein wenig länger brauchen bis sie zu uns über den Teich brauchen, hat aber der Einsatz als TV-Soundtrack hier nichts mit dem Einstieg zu tun. Platz 78 schafft "The Way I Am" durch das Erscheinen auf CD. Und für die zukunft ist ein Duett mit Netz-Kollegin Sara Bareilles angekündigt.
Ebenfalls eine chartdebütantin ist Nina Kristin. Sie kommt aus Deutschland und liefert eher durchschnittlichen dance-orientierten Pop. "Must Be Love / Success" beginnen auf der 93.
Ganz am Ende gibt es auch wieder ein paar Wiedereinsteiger, Klassiker die sich also auch im Weihnachtstrubel gut machen:
die 97 geht an The Verve und "Bitter Sweet Symphony" in der 20. Woche.
Und auf der 99 landen Westlife mit "You Raise Me Up" in der 27. Woche.
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