Na da haben sich die Medien (insbesondere die tagesaktuellen Blogs) beinahe überschlagen. Eine Woche lang wurde nahezu im Minutentakt berichtet, wer denn jetzt wo die Nase im Downloadgeschäft vorn hat. Wunderbar polemisch hat das oljo vorgemacht. Bleibt es Lena Meyer-Landrut? Oder wird's dann doch Blümchen oder Led Zeppelin? Hin und her ging es, hier wurde gezählt, da gerechnet und Beschuldigungen (vielleicht auch nichtmal ganz und gar unbegründet) ausgesprochen. Und ganz am Ende steht es dann doch als positive Schlagzeile da: "Lena behält mit Satellite den Allzeit-Download-Rekord." Das ist dann vielleicht auch wirklich erfreulich.
Aber mal von Anfang an: es ist Samstag, DSDS-Finale, die BILD-Medienmaschine arbeitete in den letzten Tagen auf Hochtouren. Skandal und Theater: wird's Mehrzad oder der andere? (wie hieß der doch gleich? - Ach ja Menowin.) Und kaum steht der Gewinner fest, sind auch die Downloadportale geöffnet – natürlich werden sie von den Millionen von Zuschauern auch ordentlich gestürmt: gehört sich ja so für eine Show, die sich damit brüstet Superstars zu produzieren. Etwas seltsam bei der Geschichte natürlich schon die Vertriebspraxis von Plattenfirma SONY: billige Download-Angebote bei gleichzeitiger Anbindung an vor allem konzerneigene Angebote. Aber was heißt hier seltsam? Konsequent triffts da eher: immerhin geht es ja um Profit. Innerhalb von 24 Stunden steht Mehrzad Marashi also auf Platz 1 der iTunes-Charts, Lena rutsch ab, und dann – im Laufe der Tage – können doch Blümchen und Led Zeppelin noch mal ordentlich zulegen und holen bei einzelnen Downloadportalen sogar die Spitze. Natürlich reicht das nicht für die Wochenführung, zumal ab dem 21. April (Mittwoch) auch die CD in den Läden stand. Insofern: Mehrzad Marashi steigt mit Don't Believe direkt an der Spitze der media control-Charts ein, tut es seinen Vorgängern gleich und … tja, das wird nun wirklich spannend: wie lange wird er da wohl bleiben? Vorjahres-Sieger Daniel Schuhmacher brachte es mit seinem Debüt auf drei Wochen … und der wurde medial ja ziemlich bejubelt. Die aktuellen Download-Charts sehen eine Woche nach dem Finale dagegen recht mau aus. Sogar Lena wird da wieder höher notiert, und ihr Sieg beim nationalen Oslo-Ausscheid ist mittlerweile mehr als einen Monat her. Da könnte es also fast passieren, dass ihr Abrutschen auf Rang 2 nur ein kurzes Intermezzo ist und sie in der kommenden Ausgabe schon wieder von ganz oben grüßt …
Das ist natürlich alles höchst spekulativ, zumal da auch noch einige andere starke Konkurrenten in den Startlöchern stehen. Was allerdings garantiert nicht passieren wird: dass die Anti-DSDS-Songs sich nochmal weit vorn platzieren. In dieser Woche hat es ja für Blümchen und ihren Boomerang immerhin bis zu Platz 7 gereicht, was schon mal … nunja … doch auch ziemlich stark ist. Denn ob jetzt der Mainstream-Happy-Techno-Sound der 90er wirklich viel besser ist als der Bohlen-Kuschel-Pop der 10er … ? Lustiger ist er allemal. Und was richtig schräg ist: mit der konzertierten Download-Aktion entert Blümchens Track erstmals seit Erscheinen die Top 10. Im Jahr 1996 war nämlich bei Platz 11 Schluss. Und damit ist Boomerang ziemlich eindeutig der älteste Titel, der es bislang im Jahr 2010 in die Top 10 gebracht hat. Wenn in den folgenden Monaten nicht noch mehr solche Aktionen folgen, dann dürfte dies vermutlich auch so bleiben. Allerdings … da sind ja in der Vergangenheit schon ganz andere Dinge passiert.
Ähnliches – oder eigentlich wesentlich Sensationelleres – lässt sich über den zweiten Anti-DSDS-Song sagen. Musikalisch wahrhaftig das komplette Gegenteil zum Casting-Sound wurde Led Zeppelin mit Stairway To Heaven als Protest-Download propagiert. Die Aktion begann etwas später (wenn ich mich recht erinnere, dann war Mittwoch der eigentliche Start) und in nur zwei Tagen brachte es der Titel zu einem Platz 15 in den offiziellen media control-Charts. Das wirklich Aufregende: Stairway To Heaven gehört zu den bekanntesten Titeln von Led Zeppelin, war aber niemals wirklich als Single erhältlich. Bei discogs ist immerhin eine Promo 7" aus dem Jahr 72 aufgeführt – allerdings nur in den USA erschienen. 2007/08 erschien dann der Back-Katalog in einer remastered Version noch einmal komplett und damit dann auch Stairway To Heaven zumindest als virtuelle Single. Platzieren konnte sich der Titel allerdings lediglich einmal auf Rang 71 und später im Nachzug von solchen Fernsehshows wie "Die ultimative Chartshow" oder ähnliches. Nun also wird einer der wichtigsten Rocktitel der Musikgeschichte überhaupt erstmals wirklich in Massen verkauft und taucht in den Charts auf. In der insgesamt erst fünften Chartwoche platziert sich Stairway To heaven also in den Top 20 – Ironie des Schicksals: die 85er Coverversion der FAR Corporation (von und mit Frank Farian) hat nach wie vor mit Platz 14 die Bestplatzierung zu Buche stehen. So viel also zum Thema "Was spiegeln Charts wirklich wider".
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