Zwei Schlachtschiffe des deutschen Mainstreampop sind nach längerer Pause zurück und liefern sich mehr oder weniger ein Duell um die Gunst der Käuferschaft. In diesem Fall waren die etwas älteren Konsument_Innen freigiebiger als die jüngeren. Haben vielleicht auch mehr Taschengeld. RAMMS+EIN legen mit Pussy den kommerziell erfolgreichsten Singlestart der Woche hin. Zum Titel lässt sich nicht viel Neues sagen. Die bekannten Debatten werden wieder aufflackern, die alten Argumente werden geschwungen, die Band wird sich von gewissen sachen distanzieren, ansonsten aber sicher freuen, dass sie (wieder einmal) im Gespräch sind und sogar eine Indexierung bei MTV & Co. mit ihrem Video geschafft haben. Alles das führt also dazu, dass dreieinhalb Jahre nach der letzten Single Pussy als bestverkaufte Single in die media control-Charts einsteigt. Sexuell eindeutige Verbalbilder auf Gitarrensound ist das, was das Volk will. Neu ist, dass der Text halb englisch halb deutsch daher kommt. Das mag eine Geste an das internationale Fanpublikum sein, das wirklich in Massen existiert, es ist gleichzeitig aber auch ziemlich im Trend. Spätestens seid Polarkreis 18 ist es irgendwie auch chic die Sprachen zu mischen.
Rammstein auf der Nr.1 – das ist tatsächlich ein Novum. Seit Mitte der 90er Jahre veröffentlicht die Band CDs, seit April 1997 können sie mehr oder weniger durchgängig Hits in den Charts absetzen, aber erst jetzt, mehr als 12 Jahre nach ihrem Chartdebüt, gelingt ihnen der Sprung an die Spitze der deutschen Charts. Dreimal standen sie schon auf der Vizeposition, am längsten (3 mal) mit Amerika vor ziemlich genau fünf Jahren. Pussy setzt sich damit zunächst einmal als bestplatzierter Titel der Band durch. Das neue Album Liebe ist für alle da erscheint am 16. Oktober.
Innerhalb der deutschen Charts unterbrechen Rammstein mit ihrem Sturm an die Spitze eine etwas mehr als viermonatige Phase, in welcher Titel jeweils von einer vorherigen Platzierung auf die 1 stiegen. Solch eine lange Zeit von langsam wachsenden Nr.1-Hits gab es schon eine Weile nicht mehr. Es ist in diesem Jahr ohnehin erst der vierte Titel, der den Chartstart auf der Spitzenposition absolviert. 2008 waren es noch ganze acht Titel. Insgesamt ist Pussy ohnehin erst der achte Nr.1-Hit in diesem Jahr. Das ist in etwa so wie vor 10 Jahren. 1999 waren wir in der ersten Oktoberwoche noch bei dem siebten Nr.1-Hit des Jahres. Am Ende war die Bilanz dann auf 10 Titel angestiegen.
Rammstein sind also die Gewinner der Woche. Und die Verlierer? Die heißen Tokio Hotel. Sie haben zwei Jahre lang nichts Neues mehr von sich hören lassen. Natürlich waren die Kaulitz-Brüder in der Zwischenzeit medial sehr präsent. Hier eine Schlagzeile, dort ein Foto … die Fans wurden fleißig gefüttert. Aber, irgendwie reicht das wohl nicht. Automatisch, die Vorabsingle zu ihrem Album Humanoid kann gerade mal auf Platz 5 einsteigen. Das klingt zwar ganz gut, ist aber tatsächlich das schlechteste Ergebnis für eine Tokio Hotel-Veröffentlichung. Lediglich Schrei war vor vier Jahren das gleiche widerfahren. Alle anderen sechs Singles platzierten sich wenigstens auf Platz 3. Hmmm … Geht da jetzt eine Ära zu Ende? – Allerdings, es sei an dieser Stelle auch angemerkt, dass Automatisch bereits der achte Top 10-Titel in Folge ist. Das ist eine Erfolgsbilanz wie sie beispielsweise Depeche Mode zu ihren erfolgreichsten Zeiten, zwischen 1985 und 1987, aufzuweisen haben.
Das die beiden erfolgreichsten CD-Starts. Schnell noch nachgeschoben, das David Guetta feat. Akon mit Sexy Bitch weiterhin auf der Vizeposition steht (zum dritten mal nunmehr) und Ex-Spitzenreiterin Marit Larsen rutscht von ganz oben auf die 3 mit If Asong Could Get Me You.
Und dann standen auch internationale Mainstream-Monster am 18. September neu in den CD-Regalen und buhlten um Aufmerksamkeit. Die Backstreet Boys zum Beispiel kündigen mit Straight To My Heart ihr siebtes Album This Is Us an. Dieses soll Ende des Jahres erscheinen und um die Neugierde schon mal richtig anzufachen wird also weit im Voraus eine Single ausgekoppelt. Aber auch für die Backstreet Boys ist die beste und erfolgreichste Zeit schon eine Weile vorüber. Straight To My Heart klingt fast ein wenig nach 80er-Jahre Schlager, sehr sehr seicht, passt in jeden Fahrstuhl und ist deshalb genauso schnell aus dem Ohr wieder raus. Die insgesamt 22. Single schafft es demzufolge auch nur bis zu Platz 22 – das schlechteste Ergebnis für die Lead-Single eines Backstreet Boys-Albums.
Mit einer dritten Singleauskopplung aus ihrem aktuellen Album All I Ever Wanted wartet Kelly Clarkson auf. Nachdem My Life Would Suck Without You eine großartige Chartkarriere im Frühsommer hingelegt hat und die Nachfolgesingle I Do Not Hook Up eindeutig viel zu schnell nachgeschoben wurde, dadurch mit Platz 55 völlig unterging, gibt es nun Already Gone, eine Ballade, die für meine Begriffe ein wenig zu seicht daherkommt, aber immerhin: es reicht für Platz 23 in der ersten Woche nach Singlestart.
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