24. Juli 2009: Aufwind für Bekanntes

Wie schon am Freitag festgestellt, es gibt nicht allzu viel Neues auf dem CD- und Digitalmarkt. Oder auch: das was da neu ist, hat noch nicht so richtig Fuß gefasst. Also bleibt ein wenig Zeit, sich unter dem Bekannten umzusehen, denn es gibt doch den einen oder anderen Titel, der sich nach mehr oder weniger langem Anlauf gerade als waschechter Hit etabliert. Zum Beispiel Not Fair von Lily Allen. Gerade klettert der Titel in seiner zehnten notierten Woche nochmal einen Platz nach oben auf die 12 und erreicht eine neue Bestmarke. Nicht nur das, es ist außerdem der höchste Platz den Lily Allen überhaupt belegen kann. Mit The Fear stand sie im März bereits einmal auf diesem Platz. Abgesehen davon, dass ich den Titel immer noch sehr mag, und auch mit dem Country-Einschlag sehr gut umgehen kann, beschäftigt mich doch immer wieder die Frage: wie konservativ ist die Sängerin eigentlich? Dass sie sich über die sexuelle Faulheit (oder sein Unvermögen) ihres Freundes beschwert ist ja in Ordnung, auch dass sie dies laut ausspricht, warum nicht. Aber irgendwas an der Geschichte find ich auch altbacken bis bieder. Was bedeutet denn das, wenn sie behauptet: „Du hast verdammt noch mal die Pflicht, dich um mich zu kümmern und mich (eben auch sexuell) glücklich zu machen!“ – Ich bin mir da irgendwie nicht so sicher bzw. ich finde das klingt sehr nach einem längst vergangenen Jahrhundert, wenn wir schon zusammen sind, dann müssen wir auch ALLES miteinander teilen. Ich fänds ja schöner wenn sie singen würde: Mein Freund ist toll, aber im Bett klappt’s nicht und deshalb schlaf ich immer bei meinem Lover. Und der ist richtig geil. Aber leben möchte ich mit dem nicht ...
Na gut, das ist dann vielleicht nochmal eine ganz andere Geschichte. Und eventuell ist Lily Allens Freund ja tatsächlich ein arrogantes Arschloch, das sich nur um sich kümmert ...

Zu den Spätstartern gehören nun offensichtlich auch Frauenarzt & Manny Marc. Ihre Atzen-Hymne Das geht ab [Wir feiern die ganze Nacht] entwickelt sich dank Auftritten im RIU Palace auf Mallorca und diverser Remixe (z.B. von den Real Booty Babes) zu einem waschechten Hit. In dieser Woche, bereits die neunte in den Charts notierte, klettert das Teil ordentlich von der 25 auf die 15. Wenn das so weiter geht, können wir die beiden sehr bald sogar unter den ersten 10 begrüßen. Das Ganze spielt natürlich auf einer ganz einfachen und instinktiven Ebene. Das muss gar nicht schlimm sein. Wird ja immer gern behauptet, dass die Kids mit ihrem Hedonismus sich um nichts mehr kümmern und unsere Gesellschaft kaputt machen. Ich könnt jetzt auch sagen: wenigstens stechen sie keine Menschen ab, sie wollen halt nur feiern ... Trotzdem scheint mir Das geht ab vor allem ein Jungs-Lied zu sein. Und den Künstlernamen Frauenarzt mag ich persönlich auch nicht, denn dieses Porno-Klischee was sich dahinter auch verbirgt ... also da will Herr de Marcos einfach cool und brutal wirken. Mit der Realität und echter Toughness hat das aber eigentlich nichts zu tun.

Zu den Titeln, die sich als Dauerbrenner beweisen, gehört nach wie vor Milow, der mit seiner Version von Ayo Technology das Sommerverkaufsloch nutzt und noch einmal von der 21 auf die 17 geht. Gerade hat er in Köln, Berlin und Hamburg gespielt und im Radio ist der Titel ohnehin nicht tot zu kriegen. Jetzt wär’s für ihn an der Zeit, einen Nachfolger hinterher zu schicken. Aber da herrscht doch vorerst Schweigen. Der nächste große Plan ist die Eroberung des britischen Marktes. Warten wir also noch ein paar Wochen ab, aber dann sollte doch schon mal neues Material an den Start gehen.

Ebenfalls nochmal kurz im Aufwind befinden sich Queensberry. Too Young hat ja auch tatsächlich alles das, was so ein lauschiger Sommerhit braucht. Trotzdem ist anzunehmen, dass die Bewegung von 23 auf die 18 nicht wirklich eine Umkehr der Chartkurve bedeutet. Irgendwie ist das Material dann doch zu beliebig. immerhin, bereits zwei Monate tummeln sie sich mit diesem Titel in den Charts, das ist dann auch nicht so ganz schlecht.

Ein wirklicher Dauerbrenner ist Peter Fox. Mit seinem Haus am See befindet er sich bereits 39 Wochen in den Charts und gerade geht es wieder ein klein wenig aufwärts: von der 32 auf die 30. Haus am See ist übrigens der einzige Titel, der in diesem Jahr bis jetzt in jeder Woche notiert war. Der letzte Mitkonkurrent hieß Allein Allein von Polarkreis 18 und hat in dieser Woche die Liste verlassen.

Den Weg zu mehr KäuferInnen als nur zum Kreis der wirklichen Fans scheint nun endlich auch Jennifer Rostock zu finden. Die Ex-Usedomer können in dieser Woche ihren zweiten Longplayer Der Film auf der 13 in den Album-Charts absetzen. Und davon profitiert auch die Single Du willst mir an die Wäsche. Mit einem Satz geht es in der dritten notierten Woche von der 61 auf die 34. Und das ist eine neue Bestplatzierung für die Band. Bisher war Kopf oder Zahl mit einem Platz 48 die Spitze. Das sanft-besinnliche Liedchen Du willst mir an die Wäsche kann sich nun also „größter kommerziellster Erfolg“ der Band nennen. Ich wünsch mir als nächstes trotzdem wieder etwas mehr Power von ihnen.

Ebenfalls mit einer neuen Bestplatzierung überrascht uns die Australierin Lenka. Ihr Lied The Show klettert in der sechsten Woche von der 47 auf die 36 und bessert damit das Gesamtergebnis nochmal um einen Platz auf. Ich weiß, dass recht viele Leute auf diese etwas unschuldig-naive Art stehen. Und meist sind das Menschen, die nicht sofort beim Erscheinen einer CD in den Laden rennen. Das bedeutet, dass Lenka eventuell noch eine ganze Weile in der Liste auftauchen wird. Schlecht ist der Titel ganz sicher nicht, mir fehlt nur ein wenig das Besondere. Kaum ist der Titel verklungen, hab ich ihn auch schon wieder vergessen. Vielleicht sollte ich einfach mal ihr Album ausprobieren, da ist es ja ganz gut, wenn die Lieder nicht sooo knallig und originell sind.

Ein paar Neuveröffentlichungen gab es in dieser Woche natürlich auch. Die erfolgreichste geht an The Black Eyed Peas – hab ich schon am Freitag abgefeiert. Außerdem in den Regalen neue Musik für unschuldige Kids: Cherona schmeißen eine zweite Single auf den Markt. Bekannt geworden sind sie durch RTLs „Star-Tagebuch“ und im Mai/Juni waren sie mit ihrem Debüt Ching Chang Chong in der Liste vertreten. Jetzt also Hit Nr.2 und mir scheint, die Produzenten und Manager suchen gezielt nach besonders dämlichen Titeln, wie zum Beispiel Rigga-Ding-Dong-Song. Der Text geht natürlich genauso, da muss man nix verstehen, lässt sich perfekt europaweit vermarkten und ... tja, wie jung ist nun eigentlich die Zielgruppe? 3-5 Jahre? Ich fürchte, die hören sogar schon anspruchsvollere Sachen. Der Knaller ist allerdings, dass es sich bei dem Rigga-Ding-Dong-Song sogar um eine Coverversion handelt. Im Jahr 1999 war das doch tatsächlich ein Hit für ein deutsch-niederländisch-spanisches Casting-Produkt namens Passion Fruit (nur hat man damals noch nicht so offensiv von Casting gesprochen und das Format gleich noch mitvermarktet). Im Sommer vor 10 Jahren erreichte der Titel also Platz Nr. 9 in Deutschland. Ich denke, die Variante von Cherona wird es nicht bis in diese Höhen schaffen. Platz 59 in der Woche der Veröffentlichung ... ich werte das mal als Zeichen dafür, dass die Zeiten für sinnfreie Beknackthits erstmal vorbei sind.

In den Offiziellen Dance-Charts krebst schon seit gut zwei Monaten ein Titel rum, der uns den Sommer verspricht und ein Easy Living am Strand. Der Sound ist nicht neu, das Projekt auch nicht: r.i.o., die zweite Formation von Yann Peifer und Manuel Reuter neben Cascada. Hier allerdings mit männlicher Stimme und sowieso ganz anderem Sound. After The Love ist nun also der dritte Titel, der sich von R.I.O. in den deutschen Charts platzieren kann. Platz 65 gibt es für den Start. Das ist ein klein wenig schwächer als ihre Veröffentlichung aus dem Dezember When The Sun Comes Down und recht weit vom Platz 25 entfernt, den Shine On vor ziemlich genau einem Jahr belegte. Man kann ein Rezept halt auch irgendwie zu Tode reiten.

Neu in den CD-Regalen ist auch Single Nr.4 von Aloha From Hell. Sie sind mit ihrem aktuellen Album No More Days To Waste gerade enorm erfolgreich in Japan. So ist es auch kein Wunder, dass die Weltpremiere ihrer neuen Single Can You Hear Me Boys am 10. Juni in Harajuku stattfand. In Deutschland geht es momentan etwas ruhiger zu. Can You Hear Me Boys steigt ein auf Platz 79.

Und noch eine Veröffentlichung aus der Sparte Rock aus Deutschland findet sich unter den Neuheiten der Woche. maradona sind ein paar umtriebige Jungs, die gern in eine Schublade mit Sportfreunde Stiller gesteckt werden. Verbinden tut sie besonders ihre Vorliebe für Fußball. maradona nun starten ihre Karriere jetzt mit der Single Mexiko, am 11. September soll dann das Album Das Leben ist schön folgen. Über ihren Vorabteaser kann ich gar nicht viel sagen, gerad bin ich etwas unterwegs und hab erstmal nur Computer ohne Soundanschluss auftreiben können. Das Video zumindest zeigt einen Teil der Jungs in Unterhosen, was immer das bedeuten mag: Coolness? Armut? Scheiß drauf-Mentalität? Ich denk, in Kürze werd ich dann mehr sagen können, wenn ich den Sound zu den Bildern besser kenne ... Die zahlenden Musikliebhaber sorgen derweil für einen Einstieg auf Platz 88.

Das waren dann die erfolgreichsten neuen CD-Veröffentlichungen, wie gesagt: eher von der ruhigen Sorte was den Absatz betrifft. Natürlich gibt es noch ein paar weitere Neuheiten, aber die gehören in ganz eigene Kategorien und vorher will ich mal noch auf das eine Thema eingehen, welches momentan nicht fehlen darf:

Michael Jackson ist inämlich n den Charts bei weitem noch nicht gegessen. Ganze 21 Titel tummeln sich von oder mit ihm in der Liste. Dabei geht es für die meisten leicht abwärts, alles in allem hält sich der Back-Katalog aber ziemlich stabil. Wieder zurück in den Charts ist dagegen auf der 76 I Want You Back von den Jackson Five. Der Titel, obwohl so etwas wie ein Klassiker, konnte erst vor zwei Wochen sein Chartdebüt in Deutschland feiern. Da wurde er auf der 91 gelistet. In der vergangenen Woche gings dann raus aus den Top 100 und nun also wieder zurück. Es wird wohl noch einen Moment dauern bis sich die Wogen der Trauer wieder geglättet haben.

Wenn wir schon bei den Wiedereinsteigern sind. Sehr erfolgreich auf Platz 2 steht Cassandra Steen. Logisch, dass sich im Schatten von Stadt auch die Vorgängerveröffentlichung noch ganz gut verkauft. Darum leben wir bescherte ihr im Februar einen Top 10-Hit (Platz 6) und konnte sich elf Wochen lang halten, bevor es der Sperrregelung zum Opfer fiel. Nun sind drei Monate verstrichen und der Titel darf wieder gelistet werden: Wiedereinstieg auf Platz 85.

Ebenso wieder in der Liste sind Coldplay mit Viva La Vida, der Titel mit dem sie vor ziemlich genau einem Jahr die Charts enterten und der in der Folge noch den gesamten Herbst über präsent war. Danach gab es zwar eine weitere Single-Auskopplung, Viva La Vida ist allerdings das, was ich gern einen modernen Klassiker nenne. Wieder drin auf der 86 und mittlerweile die 39. Woche notiert.

Zurück kehren am unteren Ende der Liste auch ein paar Titel, die aufgrund der massenhaften Michael Jackson-Verkäufe aus den Charts flogen. Nun, da wir langsam zur Normalität zurückkehren, gelangen auch diese Titel wieder auf Plätze, die einem regulären Chartverlauf entsprechen. Da sind zum Beispiel Die Ärzte, die mit Lasse redn nach zwei Wochen Pause wieder auf die 95 steigen. Sie stehen nunmehr das 35. mal mit diesem Titel in den Charts.

Auch Rockstroh kehrt mit Licht nochmal zurück. Es ist erst die vierte Woche, in welcher der Titel notiert ist und er steht jetzt auf der 97. Und genauso geht es Kevin Rudolf featuring Lil Wayne, die mit ihrem Hit Let It Rock auf die 99 zurückkehren. Hier schreiben wir Woche 23.

Wie schon in der vergangenen Woche, so gibt es auch in der aktuellen wieder ein paar Veröffentlichungen der Sparte: Mallorca-Party-Gassenhauer. Für die Discofox- und Schlagerfraktion ist der Sommer mittlerweile fast genauso wichtig wie die Après Ski- und Karnevalssaison. Kaum jemand lässt es sich nehmen, mit neuem Material zu brillieren und ein Stück vom Sommerferienkaufrausch zu profitieren. So in dieser Woche auch Olaf Henning. Nachdem im Februar sein Cowboy und Indianer zum wiederholten male in den Listen auftauchte, versucht er es jetzt mit So eine Nacht. Passt thematisch natürlich auch viel besser zum Urlaubsflirt. Momentan besitzt dieser Titel allerdings noch nicht die ganz große Anziehungskraft, Platz 83 zum Einstand.

Zum Standard jeder guten Bierkönig-Party gehörenmittlerweile im dritten Jahr DJ Ötzi & Nik P.. Ein Stern (der deinen Namen trägt geht demzufolge immer mal wieder rein und raus. In dieser Woche wieder etwas im Aufwind und deshalb erneut notiert auf der 89. Woche 91!

DJ Ötzi ist ja immer gut für die eine oder andere Auffälligkeit. In dieser Woche zum Beispiel schafft er es mit zwei Titeln gleichzeitig wieder einzusteigen. Noch in 100.000 Jahren geht nämlich nach kurzer Michael-Jackson-Invasions-Verschnaufpause wieder rein auf die 94. Damit hat DJ Ötzi drei Titel gleichzeitig in den deutschen Charts, denn Hotel Engel kann sich in dieser Woche von der 84 auf die 66 steigern. Das Ganze ist natürlich nichts gegen das, was da grad mit Michael Jackson passiert ... aber dafür gibt’s ja auch einen anderen Grund.

Ganz am Ende der Charts tummeln sich dann doch noch zwei neue Titel, die eigentlich das Zeug zu wesentlich mehr hätten. Zumindest standen sie vor gar nicht allzu langer Zeit in den britischen Charts sehr weit oben. Titel Nummer eins stammt von einerm Duo, das sich nicht nur dem 80er Revival verschrieben hat, sondern dieses ganz besonders exzessiv auslebt. Erstes Merkmal: Von La Roux kennt man erstmal nur das Gesicht einer Frau, der Produzent bleibt unsichtbar im Hintergrund ... das war bei Yazoo ganz ähnlich. Ihr Debüt In For The Kill klingt dann auch nicht nur wie Yazoo und Erasure in einem Remix der noch ganz jungen Depeche Mode, das Video sieht obendrein aus, als wäre Visage leibhaftig wieder auferstanden. (oder ist es ein lange verschollen geglaubtes Werk?) Dass es sich bei La Roux allwerdings um die Weiterführung des Projektes New Age / New Wave handelt erkennt man im direkten Vergleich. In For The Kill ist um einiges härter als alles Originalzeugs aus den 80ern. In Großbritannien haben La Roux mit Bulletproof bereits einen ordentlichen Nachfolgehit, der es sogar bis Platz 1 schaffte (in Deutschland für den 14. August zur Veröffentlichung geplant). Und spätestens hier ist auch visuell erkennbar, dass wir uns bereits in Zeiten nach New Rave befinden. Ist eben alles viel bunter als noch 1981. Für In For The Kill geht es nun also ganz langsam in die deutschen Charts: Platz 92 wird notiert, nachdem die CD bereits drei Wochen auf dem Markt ist. Das Album konnte dagegen schon Platz 69 entern.

Der zweite Hit aus den britischen Charts stammt von Steve Angello & Laidback Luke feat. Robin. S. Die beiden haben sich den House-Klassiker Show Me Love aus den 90ern geschnappt und in ein zeitgemäßes Gewand gesteckt. Das Original von Robin S. stand 1993 auf der Position 11 und war im Remix 2002 noch einmal ganz kurz notiert, immerhin noch bis Platz 55. Steve Angello & Laidback Luke schaffen es derweil nur auf die 93 - allerdings gibt es die Single auch nur digital.

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