26. Juni: Der Rest

Bevor wir zu den Neu- und Wiedereinsteigern kommen, die sich jenseits der Top 20 platzieren konnten, gibt es wie immer noch auffällige Bewegungen aus den oberen 20 in einem Schnelldraufblick:

Wieder zurück in den Top 5 sind die Black Eyed Peas mit Boom Boom Pow. Nachdem sie in der letzten Woche von der 3 auf die 6 rutschten, machen sie nun also wieder ein wenig Boden gut. Und: sie befinden sich aktuell zum 50. mal unter den Top 10. Gratulation! In den Albumcharts ist die Tendenz gerade umgekehrt: The E.N.D. geht abwärts von der 2 auf die 5. In beiden Listen also die gleiche Position.

Ebenfalls noch einmal ein klein wenig nach oben geht die Unplugged-Version von Ein Kompliment gespielt von Sportfreunde Stiller. Vor zwei Wochen waren sie von ihrer Höchstposition 9 auf die 12 gerutscht, dann ging es in der letzten Woche doch wieder einen Platz nach oben. Und nun steigen sie von der 11 auf die 10 und profitieren dabei vor allem von der Schwäche der etwas taumelnden Ex-Top10-Hits von Queensberry und Mark Medlock. Auch hier noch schnell die Albumplatzierung nachgeliefert. Die Sportfreunde Stiller stehen mit MTV Unplugged In New York derzeit in den Albumcharts auf der 3, so wie in der letzten Woche.

Die zweite Singleauskopplung aus dem Depeche Mode-Album Sounds Of The Universe heißt Peace und erschien am 12. Juni. Im Gegensatz zu der ersten Single Wrong, die mit viel Medienaufwand angekündigt und inszeniert wurde, kam nun die zweite fast still und leise, wie nebenbei auf den Markt. Der Effekt: nach der Nr.2-Platzierung von Wrong reicht es nun für Peace gerade noch für Platz 25 in der ersten Woche. Und das ist für eine Depeche mode-Single enorm schlecht. Für gewöhnlich sind die Zweitsingles aus den Depeche Mode-Alben immer noch zumindest für eine Woche in den Top 10 vertreten oder doch recht in der Nähe. Dass eine Single gar die oberen 20 verpasst, war das letzte mal 1994 der Fall, als In Your Roomy (die immerhin vierte Single aus Songs Of Faith And Devotion) bei Platz 24 stecken blieb. Schlechter als Peace waren Depeche Mode ansonsten nur vor ihrem Durchbruch People Are People im Jahr 1984 platziert.
Nun können wir natürlich spekulieren: woran liegts? Schlechte Vermarktung? Verpassen Depeche Mode nun doch endgültig den Anschluss an jüngere Käuferschichten (obwohl sie ja ihre Auskopplungen immer schön quer durch die Remix-Maschine schicken, und das sogar mit immer wieder erstaunlichen Ergebnissen)? Gehen sie den gleichen Weg wie U2 und andere Rock-Dinosaurier, die einfach nicht sterben wollen? Dagegen spricht, dass sich Wrong zum Beispiel in der 11. Woche immer noch ganz gut hält und sogar von der 39 noch mal auf die 38 steigen kann. Und wir könnten natürlich auch fragen: ist das alles schlimm? Was bedeutet schon kommerzieller Erfolg? Zumal für eine Band die ohnehin immer irgendwie auch ein Nischenprodukt geblieben ist? (Aber hey: Platz 25 ist kommerziell auch nicht sooo schlecht.) Villeicht ist einfach auch der Titel zu spröde? Ganz superleichtes Materiel haben Depeche Mode mit ihrem letzten Album ja nicht abgeliefert.
Positiv kann ich zumindest vermerken: es ist bereits die 45. Single, die sich in den deutschen Charts platzieren kann. Und das ist jetzt beispielsweise besser als zum Beispiel die Bee Gees oder auch Peter Maffay (und diese beiden sind ja mindestens 10 bzw, sogar 20 Jahre länger im Geschäft).

Unter amerikanischen Rap-Größen scheint derzeit ein Wettbewerb zu laufen: wer traut sich das bescheuertste Sample aus einem Euro-Trash-Hit zu samplen. Der erste, der damit begann, war T.I. feat. Rihanna, die für Live Your Life Ende letzten Jahres auf O-Zone zurückgriffen. Es folgte Flo Rida feat. Ke$ha mit Right Round (derzeit leicht fallend von, das sich an Dead Or Alive anlehnte. Und nun legt Flo Rida nach mit Sugar. Die Melodie kennen wir von Eiffel 65. Das Original Blue (Da Ba Dee) gehörte 1999 zu den Hits des Jahres und belegte neun Wochen lang die Nr.1. Jetzt ist es also in Ansätzen wieder da, gesungen diesmal vor allem von featured artist Wynter. Und in der ersten Woche der Veröffentlichung geht es auf die 37. Das ist für Single Nr.5 in den deutschen Charts von Flo Rida eher mittelmäßig bis gar nicht gut. Nun ja, es kann nicht immer ein Top 10-Hit rauskommen. Vielleicht ist aber auch das Rezept, altes Hit-Sample plus neuem Rap nicht ganz so tragfähig (zumal ja der Vorgänger mit Platz 23 – von 20 kommend – noch ganz ansehnlich vertreten ist).

Richtig ganz neu Musik – fast schon aus der Rubrik: noch nicht gehört – kommt von einem jungen Mann, namens Betty Blitzkrieg. Wir feiern anders ist die erste Hymne aus seiner Feder, Gitarre und seinem Mund. Und das ist schön dreckig und laut und erinnert ganz stark an das, was vor fast 30 Jahren mal die Neue Deutsche Welle wirklich wollte. Punk und keine Lust irgendwem zu gefallen. Dabei alles mit verramschen was einem vor die Füße kommt. Toll! Es gibt also doch noch Hoffnung am deutschen Musikhimmel, wenn es solche Bands (und ich will an dieser Stelle unbedingt auch Jennifer Rostock nennen, weil, die sind schon ziemlich ähnlich) noch auf die Bühnen schaffen und in die Zentralen von Plattenlabeln und am Ende sogar in die Charts: Platz 64 ist da gar nicht so übel. Das einzige, was ein bisschen störend am Auftritt des jungen Mannes wirkt ist der arge Bezug zu so und so vielen Tausend schon gewesenen Sex, Drugs & Rock-Größen. Denn viel spannender als ein Elternpaar aus Mafiapate und Hure ist doch ein Lehrer-Elternhaus. Da hat Rebellion sogar noch einen Sinn ... aber vielleicht ist das auch blöd, weil schließlich soll feiern ja vor allem eins: Spaß machen!

Gegen so viel geballte Energie (und Wut?) sehen die Jonas Brothers wie – Entschuldigung! – Milchreisbubis aus. Allerdings wenden sie sich vermutlich an die Zielgruppe, welche altersmäßig genau vor dem großen Punk-Spaß liegt. Nun, die Jonas Brothers sind in Amerika Riesenstars, in Deutschland zumindest in der Teenie-Presse ordentlich präsent. Und so kann sich dann auch ihre neue Single als dritte auf dem deutschen Markt behaupten. Paranoid steigt ein auf der 65 – nicht wahnsinnig berühmt, nun ja – der europäische Markt funktioniert eben doch ein klein wenig anders als der US-amerikanische.

Wieder zurück nach Deutschland . Im letzten Jahr gehörten sie zu den Überfliegern: Polarkreis 18 aus Dresden. Ihr Durchbruch und Nr.1-Hit Allein allein steht derzeit immer noch ganz gut in der Liste: unverändert auf Platz 50, gezählt werden momentan 37 Wochen ohne Unterbrechung und das ist in der derzeitigen Liste momentan der Bestwert. Langsam geht natürlich auch diese Ära zu Ende, trotzdem hat Allein Allein nicht nur den Nachfolger The Colour Of Snow, der im Februar immerhin Platz 5 erreichen konnte, in den Schatten gestellt. Auch die neue Auskopplung, eine wunderschöne Ballade mit dem Titel Happy Go Lucky, kann sich im Vergleich nicht wirklich behaupten. Sie steigt ziemlich genau vier Monate nach The Colour Of Snow ein auf einem mageren Platz 72 und ich fürchte, dass das schon die höchste Platzierung gewesen sein dürfte. Schade eigentlich.

Nach gut vier Jahren Pause kehrt Rob Thomas ins aktuelle Musikgeschehen zurück. Sein neues Album heißt Cradlesong, die erste Single daraus ist Her Diamonds. Wenn ich mir jetzt den Weg anschaue von Rob Thomas, dann muss ich sagen, von seinen Anfängen als Sänger von matchbox 20 bis zu seinem aktuellen Werk hat er irgendwie wohl mehrmals den Weichspüldurchgang über sich ergehen lassen. Für meine Begriffe ist Her Diamonds eher durchschnittlich. Und offensichtlich teilen diese Ansicht doch einige, nach solch langer Pause eine Rückkehr mit Platz 79 ist nicht wahnsinnig überzeugend. Wenn da jetzt nicht noch ein paar richtige Knaller auf dem Album drauf sind, dann wird es für Rob Thomas wohl künftig schwer sein, sich zu behaupten.

So – und auf den letzten 20 Plätzen geht es wieder munter zu mit Klassikern, Rückkehrern, Fernsehlieblingen etc. Immer wieder bei Oliver Geißen in der Auflistung und deshalb auch immer wieder mal durch Downloads in den Verkaufscharts sind OMD. Am Samstag, den 13. Juni hieß es mal wieder „Die erfolgreichsten New Wave- und Popsongs aller Zeiten“. Mal wieder, denn es handelte sich hier um eine Wiederholung einer Folge aus dem Herbst 2007, was an ein zwei kleinen Unaktualitäten zu merken war. Auf Platz 1 bei Oliver Geißen landete OMD mit Maid Of Orleans. Tja, und das ist auch wirklich ein großer Titel, auch wenn der Live-Auftritt irgendwie daneben ging, aber warum nach jeder Ausstrahlung auf RTL der Titel plötzlich wieder in die Charts schießt, weiß ich nicht. Hat den nicht auch schon miondestens jeder? Wie auch immer: Maid Of Orleans ist so etwas wie immer noch ein beliebter Klassiker. Nach der RTL-Show geht es mal wieder rein auf Platz 80 – immerhin die 43. notierte Woche.

Ebenfalls einer dieser modernen Klassiker ist Played-A-Live (The Bongo Song) vom dänischen Safri Duo. Auch das hatte seine Chartrückkehr schon einige Male Oliver Geißen zu verdanken. Warum es nun aber in dieser Woche nochmal auf die 98 geht (in der 41. Woche), weiß ich jetzt auch nicht so genau. Aber eigentlich ist es auch egal, weil der Titel ja auf tausenden von Veranstaltungen präsent ist und gern als Hintergrundmusik benutzt wird.

Und noch ein TV-Ereignis generiert in schöner Beständigkeit Hits: „Wetten dass …?“ – die Familien-Samstagsabendshow mit Thomas Gottschalk. Am 13. Juni war’s dann aber musikalisch eher ein müdes Ereignis. OK, Ashley Tisdale durfte auf die Bühne und It’s Alright, It’s Ok klettert von der 16 auf den neuen Höchstwert 12. Aber der Rest? Da waren zum Beispiel mit am Start die Simple Minds. Ich bin ja einigermaßen überrascht, dass die überhaupt noch existieren. Im Mai haben sie ihr aktuelles Album Graffiti Soul veröffentlicht und daraus trugen sie Stars Will Lead The Way vor, sozusagen als Single, die gar keine ist, weil es davon keine CD gibt. Aber als Einzeldownload geht das alles schon. Bemerkenswert ist, dass die Simple Minds auch nach 20 Jahren so klingen als hätten wir jetzt Mitte der 80er – irgendwie ist da gar nichts passiert. Ein paar TV-Zuschauer finden das auch schwer in Ordnung und ordern den Titel digital, so dass er auf der 88 einsteigt und seit über drei Jahren das erste Lebenszeichen der Band in den Verkaufscharts ist.

Wieder drin nach einer Woche Pause sind auch dredg mit Information. Es geht in ihrer insgesamt dritten Woche nochmal auf die 93.
Und auf der 100 kehren ebenfalls nach einer Woche Pause Fler feat. Doreen zurück. Allerdings wird Ich sing nicht mehr für dich ab nächste Woche wieder nicht mehr dabei sein, denn dies ist jetzt die neunte platzierte Woche.

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