Invasion der deutschen Produktionen

Wie immer folgt hier der Teil Nr.2 meiner kleinen Betrachtung zu den markantesten (Aufwärts-)Bewegungen in den deutschen Charts. Und wie am Freitag zum Erstupdate, so kann ich auch jetzt feststellen: David Guetta ist der Mann der Stunde. Platz 2 in den Albumcharts für One Love, Platz 2 auch für When Love Takes Over in den Singlecharts zusammen mit Kelly Rowland und Nachfolger Sexy Bitch mit Akon als Vokalisten prescht nun auch in die Top 10. Wie schon einige male angemerkt, find ich diesen Track sogar noch um einiges stärker und in einigen Ländern kann Sexy Bitch direkt an When Love Takes Over anschließen, in den USA sogar überrunden. Mittlerweile ist von dem Titel auch eine reguläre CD-Version auf dem Markt und so gehts von der 14 auf die 9. Für David Guetta ist es der zweite Top 10-Hit überhaupt. Für Akon ist es der vierte Titel, der sich unter den ersten 10 in Deutschland platzieren kann. Das letzte mal war er an der Seite von Gwen Stefanie mit ihrem Hit The Sweet Escape im Frühjahr 2007 so weit oben notiert worden.

Männer der Stunde sind irgendwie auch Frauenarzt & Manny Marc, die ganz ernsthaft mit Das geht ab! [Wir feiern die ganze Nacht] nochmal einen Platz gut machen können und nun auf der Position 8 stehen. In der 15. Chartwoche erreichen sie damit eine neue Höchstplatzierung, zur Illustrierung: am 17. April diesen Jahres waren sie erstmals platziert. Es hat also fast fünf Monate gedauert, bis der Titel Massen zum Kauf aktivieren kann. Bisher hab ich mich bei dem Titel ja eher zurückgehalten in allzu harscher Kritik. Interessiert die Jungs (und Mädels?), die das hören ohnehin nicht. Allerdings ist mir beim Hören des Titels irgendwie doch jedesmal wieder peinlich, dass … ja was eigentlich? Dass die beiden so absolut gedankenfreie Texte liefern, dass von ”Weibern” und ”Ollen” die Rede ist, die ihre ”Glocken” aus der Bluse holen … und feiern heißt doch nur, mal richtig zu saufen. Hmmm … das ist schon arg sinnfrei und irgendwie auch dämlich. Kein Wunder eigentlich, dass der Titel ausgerechnet in Mallorca ordentlich einschlägt. Fragen könnten wir uns jetzt, was das denn bedeutet, wenn unglaubliche Massen ihr Glück und ihre Freiheit in ungebremstem Alkoholverbrauch sehen? Hat das bürgerliche Entsetzen über die plateausaufende Jugend tatsächlich so ins Schwarze getroffen, dass die Glorifizierung von Alk & Sex als rebellisch durchgeht? Da könnten doch die Atzen locker drüber stehen, wo sie doch sowieso immer ihr eigenes Ding machen. Offensichtlich ist der Großteil der Anhängerschar von Frauenarzt und Freunden ziemlich im Spießbürgertum zu Hause. Sonst wär’s nicht nötig, sich durch den Kauf eines solchen Titels zu bestätigen und selbst zu feiern. Schade für den Rapper und seinen DJ, aber das Publikum welches sie jetzt haben, passt vielleicht auch zu ihnen.

Unter den CD-Neuerscheinungen vom 21. August 2009 gab es eine ganze Reihe von deutschen Produktionen. Die No Angels schnitten dabei mit ihrer Single am umsatzstärksten ab (Details dazu siehe Kommentar vom Freitag). Die umatzstärkste deutschsprachige CD kommt von einer Band, die seit knapp drei Jahren kein neues Material mehr vorgelegt hat. Im Januar / Februar 2008 gab es zwar einen Partyhitmix Vol.2, aber das war eben nur eine zusammengemixte Collage. Nun sind PUR aber wirklich wieder zurück. Irgendwo ist die Vorabsingle zum Album Wünsche. Sie klingt rockig und hat wie immer bei PUR auch ein ziemlichen Hang zum volkstümlich Mitsinghaften. Mir ist das eigentlich immer zu sehr kantenlos und allgemein. Deshalb war PUR nie mein Fall und ist es auch mit diesem Titel nicht. immerhin kann ich feststellen: Irgendwo ist bereits der 26. platzierte Titel der Band. Ihre größten Erfolge feierten sie Anfang des Jahrtausends. Mit Platz 26 zum Start der neuen Single sind sie davon zwar recht weit entfernt, insgesamt aber im guten Mittelfeld ihrer Hits platziert.

Neu in den CD-Regalen steht auch Single Nr.2 von Linda Teodosiu. Die DSDS Halbfinalistin von 2008 hatte im Mai mit Love Sux ihr Debüt gegeben, dass bis zum Platz 24 in den Charts stieg. Erinnern kann ich mich daran allerdings so gut wie gar nicht mehr. Und ich fürchte, mit Reprogram My Heart wird etwas Ähnliches passieren. Nicht dass der Titiel absonderlich schlecht wäre, aber eben für meine Begriffe auch nicht herausragend toll. Die Produktion klingt ziemlich verdächtig nach Lady GaGa und irgendwie scheint mir ist auch der Gesangsstil ein bisschen dahin getrieben. Stakkatoartig, abgehakt in den Strophen … der Refrain dann wieder etwas hookline-verdächtiger. Hmmm … die Konsumentinnen kaufen den Titel auf Platz 28 in der ersten Woche nach Veröffentlichung. Genauso ohne Aussage wie der Titel selber.

Ohne Aussage – das sind in mancherlei Hinsicht die Programme einiger Parteien. Ja richtig, in Deutschland ist Wahlkampf und die Politik wirbt um die Gunst der Wählerinnen. Mit manchmal absurdesten Versprechungen und Parolen. Das schreit natürlich nach Parodie. Und wer wäre da besser geeignet als Horst Schlämmer? Nach seiner Karriere beim Grevenbroicher Tageblatt sucht er neue Herausforderungen und gründet die Horst Schlämmer Partei. Der Weg des Neu-Politikers ist ausführlich im Film Horst Schlämmer – Isch kandidiere! dargestellt, der seit 20. August in den deutschen Kinos läuft. Den Werbesong für die HSP gibt es zeitgleich auf CD ebenfalls. Die Freude über dieses neue Werk von Komiker Hape Kerkeling hält sich allerdings in Grenzen, Verrisse wohin man blickt. Tja, und auch der Erfolg der Single hält sich mit Platz 40 eher in bescheidenem Rahmen. Immerhin steht Horst Schlämmer etwas besser da, als Uschi Blum, die im März bis zum Platz 47 mit ihrer Sklavin der Liebe kam. Aber verglichen mit den vorhergehenden Veröffentlichungen von Horst Schlämmer (Platz 20 und 27), ist der Wahlkampfsong dann doch nicht der Bringer. Vielleicht muss sich musikalisch Herr Schlämmer-Kerkeling doch noch ein wenig mehr einfallen lassen. Ich erinnere mich da noch mit großem Vergnügen an Hurz

Neues gibt es auch von Eko Fresh. Um ihn war es in den vergangenen anderthalb Jahren irgendwie ruhiger geworden, zumindest was den musikalischen Output angeht. Dafür ging irgendwie so ein internes Battle ab Eko Fresh vs. Bushido. Warum auch immer, die beiden haben sich wohl irgendwie verkracht und nun hat sich Eko Fresh also richtig losgelöst vom Übervater und tritt wieder ganz ganz solo auf. Darauf ist er natürlich besonders stolz und deshalb gibt es einen ganz gewöhnlichen Selbstbeweihräucherungs-Song Jetzt kommen wir wieder auf die Sachen. Nun ja, kann man gar nichts zu sagen, wenn er das zur Selbstbestätigung braucht … Der natürlich beste aller Rapper (so wie sich ja alle irgendwie immer sehen) kann also seine Fanschar immerhin soweit aktivieren, dass seine Comebacksingle auf der 47 einsteigt. – Ach ja, das Cover ist wirklich krank …

Aus dem deutschen Rap-Business kommt in dieser Woche noch eine andere CD. Und die ist richtig … naja doch: gut. Kitty Kat gehörte schon einige Zeit zum Aggro Berlin-Staff und im Februar wurde sie dann erstmals mit einem offiziellen Feature als sie an der Seite von Sido beim Scooter-Cover Beweg dein Arsch mitwirkte. Nun ist Aggro Berlin Geschichte, deshalb hats mit der eigenen Veröffentlichung noch ein wenig gedauert, aber ein Major-Label war schnell zur Stelle. Auf Universal erschien soeben Miyo, die erste Solo-CD. Als Schmäckerchen vorneweg erschien Braves Mädchen und wie schon gesagt: das ist richtig gut. Warum sind denn auch hier die Frauen schon wieder besser als ihre männlichen Kollegen? – Wenn Kitty Kat von Partymachen, Saufen und Sex singt, dann hat das wesentlich mehr Kraft als bei allen anderen Typen. Klar, Frauen sind ja nach wie vor meistens als die hübschen Dinger dargestellt, die sich vor allem dem unterordnen müssen, was die Kerle wollen. Und hier ist dann also eine, die den Spieß umdreht. Geil! Schade nur, dass es für Braves Mädchen erstmal nur bis zu Platz 58 geht. Ich find, das hat eindeutig mehr verdient. Schließlich steht solche Rotze wie Eko Fresh auch über Position 50.

Erfolgsgeschichten schreiben sich heute nicht unbedingt immer so wie die von Kitty Kat – das wäre eher der klassische Weg. Zum Plattenvertrag und ersten Hit kann man auch kommen wie Bürgermeista. Der schrieb laut Legende seinen Song Locker macha im letzten Jahr, verschickte den Titel an verschiedene Radiostationen und hatte Glück, dass der Münchner Lokalsender Gong 96.3 und dort besonders der Morning Mike Thiel den Titel für sich entdeckte, regelmäßig spielte und zu einem kleinen Lokalhit machte. Schließlich landete der Download-Titel auf der Nr.1 bei amazon im Bereich Reggae und da wurde dann auch ein Label auf den Titel aufmerksam. Dann gings ziemlich schnell und nun ist auch die CD draußen. In München wird der Song offensichtlich gekauft, Platz 64 in der Liste der bestverkauften Titel deutschlandweit. Mal schauen, ob es auch auf ander Bundesländer übergreifen kann.

Deutsche Produktionen spielen auch in unserer Rubrik ”Moderne Klassiker” eine nicht unerhebliche Rolle. Der vielleicht erfolgreichste Dauerbrenner ist wahrscheinlich Haus am See von Peter Fox. Am 31. Oktober letzten Jahres war der Titel das erste Mal in den deutschen Charts platziert. Seitdem steht er ununterbrochen in der Liste, jeweils unter den ersten 40. Momentan fällt er leicht von der 32 auf die 34 und hat damit eine 45. Woche in Folge auf seinem Konto stehen. Damit schiebt sich Peter Fox auch in die Top 10 der am längsten ununterbrochen notierten Titel. Neues von Peter Fox selber wird es wohl in nächster Zeit erstmal nicht geben. Wie BILD berichtet, wird er sich in nächster Zukunft vor allem wieder um das Bandprojekt Seeed kümmern. Schade ist es natürlich, aber auch verständlich und konsequent.

Peter Fox ist allerdings nicht völlig weg aus der deutschen Musikszene. Neben Seeed steht er zum Beispiel auch hinter Miss Platnum. Und mit dieser (oder für sie) hat er gerade fleißig am Nachfolgealbum The Sweetest Hangover gearbeitet. Als erstes Lebenszeichen gibt es genau jetzt die Single She Moved In und es scheint, dass die Deutsch-Rumänin nun endlich an Bekanntheit gewinnt. Ihr Album Chefa von 2007 war ja wohl mehr oder weniger ein Szene-Geheimtipp und auch ihre Singles Give Me The Food und Marry Me (mit Peter Fox im Duett) hatten zwar bei Jugendsendern gutes Airplay, die Verkaufszahlen waren aber mit Platz 63 und 90 eher mager. Schade! Am traurigsten war ich darüber, dass das großartige Mercedes Benz niemals eine Platzierung geschafft hat. Schande! Nun also gibt es She Moved In, ein nur noch ganz zaghaft balkonpop-angehauchter Titel, der natürlich aber wieder mit Bläsersätzen arbeitet und ordentlichen Funk besitzt. Ein wenig braucht es, bis der Titel wirklich in den Ohren ist, das ist aber nicht unbedingt schlecht. Mit Platz 51 zum Einstand der Single erreicht Miss Platnum ihre höchste Platzierung überhaupt. Und allein das lohnt eine Extrarunde auf dem Parkett.

Gucken wir nochmal zu den deutschen Dauerbrennern. Da mischen in dieser Woche zum Beispiel auch The Baseballs mit. Ihr Cover von Umbrella bevölkerte im Mai und Juni die deutschen Charts, kletterte bis zur 43 und verschwand dann vorzeitig aus der List (der Grund war die Invasion von Michael-Jackson-Titeln). Jetzt kehrt der Titel noch einmal zurück nachdem The Baseballs beim ersten Popstars-Casting zur neuen Staffel in Stuttgart aktiv waren. Schwups geht’s für Umbrella nochmal auf die 69. Für den 18. September ist die neue Single angekündigt, eine Coverversion von Katy Perrys Hot N Cold. In der Schweiz stieg der Titel durch reine Downloads bereits auf die 56. In Deutschland funktioniert der Markt eben doch ein wenig anders.

In den Albumcharts steht Jan Delay mit Wir Kinder vom Bahnhof Zoounangefochten auf der Position 1. Die Single Oh jonny rutscht ganz leicht von der 11 auf die 12 und ganz ganz unten in der Liste steht mit Klar noch einmal ein Titel aus dem Back-Kataliog in der Liste. Momentan ist Jan Delay auch ganz gut in Talk-Shows etc. unterwegs. Neueste Meldung: er wurde für den MTV European Musik Award nominiert. Klar war 2006 immerhin Platz 20 und ist offensichtlich einer der Signet-Songs für Jan Delay. In einer 14. Woche steht der Titel nun auf der 92.

Einen deutschen Titel, den ich eigentlich schon absolut nicht mehr hören kann, steht wieder auf der 93. Die Rede ist von Silbermond und Das Beste. Wieder einmal sind drei Monate um, wieder einmal wird der Titel gewertet. Mittlerweile hat er 70 Wochen gesammelt und damit es etwas greifbarer wird, das sind nahezu drei Jahre lang immer wieder in den Charts gewesen. Ersteinstieg war der 20. Oktober 2006.

So – außer dieser deutschen Produktionen gab es natürlich auch einige Veröffentlichungen, die aus anderen Nationalitäten auf den Markt gelangten. Siegerin im Sinne von meistverkauften Einheiten wurde die Schwedin Agnes – auch das hab ich schon im Kurzüberblick am Freitag genauer analysiert. Wesentlich abgeschlagen dagegen die neue Single von The All-American Rejects. Sie waren ja im Frühjahr mit Gives You Hell erstmals in Deutschland wahrnehmbar erfolgreich, sowohl im Radio als auch im Verkauf, drei mal standen sie mit ihrem Debüt auf der 15. Gives You Hell rutscht in dieser Woche von der 47 auf die 52 und damit raus aus der oberen Hälfte, ist aber auch schon seit 21 Wochen dabei. Und nun gibt es ja I Wanna, auch dies ein bodenständiger Rocksong samt mitsingbarem Refrain. Gefällt mir insgesamt sogar besser als Gives You Hell, mit dem ich immer ein bisschen Schwierigkeiten hatte weils mir so unentschieden zwischen eingängig und grantig vorkam. I Wanna liefert zum Einstand eine Platzierung auf der 45. Ist für einen Nachfolgetitel wohl ok.

Tja, und ganz am Ende, auf der 96 schniekelt sich auch Metallica mit Nothing Else Matters wieder einmal rein in die Liste. Für diesen Titel ist es die 52. Woche die zu Buche steht.

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